59. Berlinale: Die Trauer der Hinterbliebenen

12. Februar 2009
Bildteil

Dass Krieg und Terror nur Trauer und Opfer zurücklassen, zeigen Oren Moverman in "The Messenger" und Rachid Bouchareb in "London River". – Ersterer ist zum engeren Kreis der Bärenanwärter zu zählen, der zweite macht deutlich, dass ein starkes und aktuelles Thema noch keinen guten Film macht, sondern dass man seinen Stoff auch künstlerisch bewältigen muss.

Eine Messe, in der der Priester von Feindesliebe predigt, ein Besuch des Grabes des Mannes, der im Falkland-Krieg fiel, und parallel dazu ein afrikanischer Moslem beim Gebet. – Das ist eine Exposition, die in ihrer Plattheit im Kern schon das ganze Scheitern von "London River" enthält und die Gangart der folgenden 85 Minuten vorgibt.

Die christliche Mutter von der Kanalinsel Guernsey wird sich nach den Londoner Bombenanschlägen vom Juli 2005 ebenso in die britische Metropole begeben, um nach ihrer vermissten Tochter zu suchen, wie der seit 15 Jahren in Frankreich lebende afrikanische Moslem. Bei ihrer Suche werden sich ihre Wege kreuzen, denn die Britin muss bald und zuerst widerwillig erkennen, dass ihre Tochter mit dem Sohn des Afrikaners befreundet war, ja sogar einen Arabischkurs besuchte. Langsam weichen so durch Bekanntschaft die Vorurteile und Ressentiments der Britin und in Suche und Trauer kommen sich die beiden näher.

Das Plädoyer für Toleranz und Abbau von Vorurteilen ist durchaus lobenswert, doch wenn auf Volksschulniveau erzählt und argumentiert, Hintergründe oder Problemfelder in keinster Weise angerissen oder sogar differenziert herausgearbeitet werden, ungebrochen Gutmenschentum vorgeführt und auf jeden auch nur geringsten Bruch oder jede Ambivalenz verzichtet wird, dann verkehrt sich die gute Absicht eher ins Gegenteil: Die Unbedarftheit der Erzählweise macht geradezu aggressiv.

Dass man solche Schwächen nicht mit zu geringem Budget erklären kann, beweist Oren Moverman, dessen "The Messenger" auch ein kleiner Film ist. Moverman begleitet zwei Offiziere der US-Army, die die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbringen müssen. Eindrücklich erfahrbar wird dabei, dass ein Krieg nur Opfer hinterlässt, dass es nicht nur die Gefallenen und Verwundeten, sondern auch ihre Hinterbliebenen gibt. Ihre Verzweiflung entlädt sich einmal in Aggressionen gegenüber den Überbringern der Nachricht, einmal in stiller Trauer oder aber in einem psychischen Zusammenbruch. Dass die Nachricht großteils an Afroamerikaner und Hispanics überbracht wird, zeigt auch welche soziale Schicht in diesem Krieg den größten Blutzoll zahlt.

Gleichzeitig macht Moverman aber auch im genau festgelegten Prozedere und in der Formelhaftigkeit der Nachricht die Unmenschlichkeit des Militärs sichtbar. Gefühle sollen die Überbringer der Nachricht kaum zeigen, sachlich bleiben und die Hinterbliebenen auf keinen Fall berühren, sondern gerade maschinell den penibel auswendig gelernten Text aufsagen.

Trotz der Fokussierung auf der Trauer der Hinterbliebenen werden aber auch nicht die psychischen und physischen Verletzungen der Soldaten außer Acht gelassen, wenn der jüngere der beiden "Engel des Todes" seinem Kollegen – und damit auch dem Zuschauer – eindringlich und in einer minutenlangen, weitgehend ungeschnittenen Szene von seinen Kriegserfahrungen erzählt oder nachts nicht schlafen kann und sich mit Heavy-Metal-Musik ablenkt.

"The Messenger" ist ein Film des ruhigen und geduldigen Blicks, der Eindringlichkeit dadurch gewinnt, dass er seinen Figuren Zeit und Raum lässt ihre Gefühle zu entwickeln. Hier sind keine aufdonnernden filmischen Mittel nötig. Moverman kann sich im Vertrauen auf seine aufwühlende Geschichte und starke Schauspieler zurückhalten. Auf die sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte zwischen dem jüngeren Offizier und einer Witwe hätte man zwar verzichten können, doch immerhin entwickelt sie Moverman sehr zart und leise und lässt ihre Zukunft auch in der Schwebe.

Und gering wirkt dieser Einwand zudem angesichts der schauspielerischen Leistungen von Ben Foster und Woody Harrelson, deren Figuren das kraftvolle Zentrum des Films sind. Eindringlich legen sie die lädierte Psyche ihrer Figuren bloß, und meisterhaft spielt Harrelson den älteren Offizier, der sich zunächst als gefühlskaltes Rauhbein gibt, doch dann langsam und Schicht für Schicht auch weichere Seiten und einen verletzlichen Kern durchschimmern lässt.