47. Solothurner Filmtage

Wie gewohnt findet die Leistungsschau des Schweizer Films auch 2012 Ende Januar statt (19. – 26.1. 2012), gewechselt hat nach 22 Jahren aber die Leitung. Nach der Ernennung von Ivo Kummer zum Leiter der Sektion Film im Bundesamt für Kultur (BAK) wurde die 33-jährige Filmwissenschaftlerin Seraina Rohrer zur Direktorin der Filmtage bestellt. Neben Bewährtem bringt ihr erstes Programm auch einige Neuerungen.

Auch heuer wollen die Solothurner Filmtage wieder einen Überblick über das aktuelle Schweizer Filmschaffen bieten. Neben Produktionen, die 2011 schon auf Festivals oder auch in den Schweizer Kinos liefen wie Fernand Melgars "Vol special", Markus Imbodens "Der Verdingbub" oder Rolando Collas "Giochi d´estate", stehen aber auch Premieren auf dem Programm. Glanz verleihen dem Festival zudem die Wettbewerbe um den mit 60.000 Schweizer Franken dotierten "Prix de Soleure" und um den mit 20.000 Franken dotierten "Prix du public".

Eröffnet wird die 47. Auflage der Filmtage mit der Uraufführung von "Eine wen iig, dr Dällebach Kari", in dem Oscar-Preisträger Xavier Koller ("Reise der Hoffnung") die Geschichte des Berner Stadtoriginals erzählt. Premiere im Rahmen der Filmtage feiern unter anderem neue Filme von Stefan Schwietert, Greg Zglinski und Veronika Minder.

Schwietert begab sich nach "Heimatklänge" für "Balkan Melodie" auf eine musikalische und zeitgeschichtliche Spurensuche nach Südosteuropa, der polnischstämmige Greg Zglinski erzählt dagegen in seinem Spielfilm "Courage" von zwei gegensätzlichen Brüdern, die in einen Übergriff von Hooligans verwickelt werden und dabei ganz unterschiedlich reagieren.

Gegensätze prallen auch in Sebastian Kutzlis Regiedebüt "Puppe" aufeinander, in dem ein Straßenkind in einem Erziehungscamp auf die Mörderin ihrer besten Freundin trifft. Von Gewalt erzählt auch die Dokumentarfilmerin Heidi Specogna, die für ihren bei der Duisburger Dokumentarfilmwoche ausgezeichneten "Carte Blanche" die Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag bei ihrer Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik begleitete.

Veronika Minder wiederum lässt dagegen in "My Generation" ein ehemaliges Hippiemädchen, einen Kommunisten, eine Tänzerin, einen Musiker, einen Physiker und eine Bundesangestellte auf ihr Leben und ihre Träume zurückblicken und thematisiert so einerseits das Älterwerden, andererseits aber auch gesellschaftspolitische Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten.

Gespannt sein darf man auch auf "Bottled Life – Nestlés Geschäfte mit dem Wasser", in dem Urs Schnell der Frage nachgeht, wie es möglich ist, gewöhnliches Wasser in Flaschen abzufüllen und damit Milliarden zu verdienen. Auf eine weite Spurensuche nach den Ursachen des Hungers begab sich Christian Neu für "Hunger – Genug ist nicht genug", während Frédéric Gonseth und Theo Stich in ihrem interaktiven fünfeinhalbstündigen Dokumentarfilm "Die andere Seite der Welt" die Geschichte der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe der Schweiz nachzeichnen. Ein Modell für eine friedvolle Ko-Existenz inmitten einer Konfliktregion stellt dagegen David Vogel in "Shalom Chaverim, Shalom Shalom" vor, in dem er eine Wohngemeinschaft aus jungen israelischen Juden und Arabern porträtiert.

Großes Hollywoodkino kommt nach Solothurn mit der Schiene "Rencontre", die der Schweizer Schauspielerin Marthe Keller gewidmet ist. Nach ersten Rollen Ende der 60er Jahre gelang Keller Mitte der 70er Jahre der Sprung in die USA. In John Schlesingers Thriller "Marathon Man" (1976) spielte sie ebenso wie in John Frankenheimers "Black Sunday" (1977), Billy Wilders "Fedora" (1977) und an der Seite von Al Pacino die weibliche Hauptrolle in Sydney Pollacks Rennfahrerfilm "Bobby Deerfield" (1977). Danach wurde es eher ruhig um Keller, doch letztes Jahr rief sie sich mit einer Nebenrolle in Clint Eastwoods "Herafter" (2010) wieder ins Gedächtnis.

Fixer Programmpunkt der Filmtage ist auch die Präsentation von Koproduktionen, in deren Rahmen heuer unter anderem Béla Tarrs "The Turin Horse", Alice Rohrwachers "Corpo celeste" oder Philippe Garrels "Un été brûlant" gezeigt werden.

Mit den neuen Programmschienen "Upcoming" und "Fokus" setzt Seraina Rohrer in ihrem ersten Jahr als Direktorin aber auch schon starke eigene Akzente. Während mit "Upcoming Talents" den kurzen und mittellangen Filmen von Nachwuchsregisseuren eine Plattform geboten werden soll, sollen im "Fokus" unter dem Motto "Jenseits des Kinos" die Grenzen der siebten Kunst ausgelotet werden. Ursprünglich fürs Web konzipierte Filme werden in diesem Rahmen ebenso gezeigt wie Projekte, die die Konventionen der Filmgenres sprengen.

Abgerundet wird das Programm der Filmtage wie gewohnt durch zahlreiche Rahmenveranstaltungen wie Vorträge und Podiumsdiskussionen.