44. Solothurner Filmtage: Skandalfilm "Räuberinnen"

23. Januar 2009
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Für Medienecho sorgte schon im Vorfeld Carla Lia Montis sehr freie Verfilmung von Schillers "Die Räuber", meldete doch das als Koproduzent fungierende Schweizer Fernsehen, dass es "Räuberinnen" höchstens in einer zensurierten Fassung ausstrahlen werde. – Auch in Solothurn rief die trashige Groteske geteilte Reaktionen hervor.

Bis auf den letzten Platz gefüllt war das Landhaus am Mittwoch abend bei der Premiere von Carla Lia Montis "Räuberinnen". Auch Besitzer von Tages- und Wochenkarten können heuer nicht mehr mit ihrem Ticket einfach so in die Abendvorstellungen, sondern müssen schon eine Stunde vorher – oder wie das in der Schweiz heißt: vorgängig – in einer Schlange anstehen und sich am Schalter eine Platzkarte sichern.

Das Publikumsinteresse für "Räuberinnen" verwunderte kaum, hatte doch schon im Vorfeld die Meldung, dass das Schweizer Fernsehen, das den Film zwar koproduziert hatte, ihn wegen derber Sex- und Gewaltszenen bestenfalls in einer zensurierten Fassung ausstrahlen werde, für Aufsehen gesorgt. Wer eine hehre Schiller-Adaption erwartete, war somit schon von vornherein am falschen Platz, Trashiges im Stile von John Waters oder auch den Monty Pythons war zu erwarten.

Kitschig überhöht und grotesk ist "Räuberinnen" - bei der Solothurner Vorführung im Vorspann dezidiert als "Director´s Cut" ausgewiesen - dann auch von Anfang bis Ende. Angesiedelt ist das Geschehen in und um eine vor einem dreifachen Matterhorn in den Himmel ragenden Burg, in Märchenwäldern, auf einer bunten Blumenwiese und in einem Bordell. Erzählt wird von einer Mutter, die schwarz gekleidet wie die Hexe oder Stiefmutter in Märchen, zunächst ihre dunkelhaarige, dann aber ihre blonde Tochter mit einem infantilen, fetten Grafensohn verheiraten will. Vermittelt werden soll die Beziehung durch einen sich stets voll fressenden, geldgierigen und sadomasochistische Praktiken liebenden Bischof. Emily hat sich freilich bereits in den hübschen Josef verliebt, büchst aus und versteckt sich vor den Verfolgern in einem Bordell. Als ihr Versteck auffliegt flüchtet die junge Heldin mit den Huren in die Wälder und bildet im Stile von Robin Hood eine Räuberbande, die gegen alle Autoritäten aufbegehrt und – auch eine intellektuelle Alice (Schwarzer) gehört zur Truppe - für die Gleichberechtigung der Frau kämpft.

Bewusst schräg, schrill und geschmacklos ist "Räuberinnen", setzt auf derbe Gewaltszenen, bei denen Köpfe abgehackt und Zungen heraus- und ein Penis abgeschnitten werden, spielt ausgiebig mit deftigen sadomasochistischen Sexszenen – und wagt letztlich doch nie den Sprung zum wirklich Ekligen, zum Grenzüberschreitenden, sondern bleibt ganz auf der Ebene, die John Waters oder die Monty Pythons schon vor 30 Jahren erreichten.

Hemmungslos werden da auch die Zeiten vermischt, gibt es im mittelalterlichen Ambiente neben Armbrust auch Maschinenpistolen, neben einer von einem Sklaven gezogenen Kutschen einen Amischlitten, einen Hometrainer ebenso wie Gameboy und Handy.

Handwerklich ist das durchaus professionell gemacht, doch das anarchistische Potential, das dem Stoff durchaus innewohnt, entwickelt Carla Lia Monti kaum weiter. Denn zu abgestanden und altbekannt sind die Angriffe und bei aller nach außen ostentativ vorgetragenen Provokation fehlt diesem Film doch der Biss.

Nur eine derb-klamaukige und von Geschmacklosigkeiten strotzende Gegenposition zu all dem Braven und Biederen, das nicht nur das Fernsehen, sondern auch das Kino – und nicht nur das der Schweiz – tagtäglich bieten, ist insgesamt doch zu wenig. Auch guter Trash muss mehr sein als eine Verquirlung von Versatzstücken, von Figuren und Themen, Accessoires und Schauplätzen. - Skandal ist dieser Film in der heutigen Zeit damit freilich noch lange nicht, Skandal ist eher wie aufgebracht ein Teil des Publikums auf diesen Film, der doch nie vorgibt etwas anderes als Trash zu sein, reagiert.