Atelierhaus C21. Einfach den Raum nutzen

Der Architekt stellt Raum zur Verfügung, erst durch die Benutzerinnen selbst wird dieser gestaltet und zu Lebensbildern verfestigt. Aber was machen die neuen Eigentümer aus dem Potenzial ihres Raumvolumens? Im C21 sind über achtzig unterschiedliche Ateliers entstanden, deren Form durch das System der Anordnung bestimmt ist. Das Bauwerk ist ein Resultat der räumlichen Geometrie des Verschachtelns von mehreren kombinierbaren Einheiten, was wiederum die Ausformung des einzelnen Ateliers bestimmt.

Ich läute an. Es sind schon eher die freien Berufe, Großteils Architekten und Ingenieurbüros, aber auch Künstler, Grafiker, die sich im Atelierhaus zusammengefunden haben. Im ersten Untergeschoß öffnet jedoch eine Textilhandwerkerin. Feine Lingerie wird hier gefertigt und der Raum geteilt mit zwei Schmuckdesignerinnen, einer Grafikerin und einer Malerin. Was für kreative Werkstattatmosphäre! Alle Flächen bleiben roh – an Wand und Decke Stahlbeton, so wie er aus der Schalung kommt, am Boden Estrich hydrophobiert. Die große Fixverglasung richtet sich auf die Geleise-Seite, in freiem Himmelsblick flutet sie das Atelier mit Nordostlicht. Das Fenster, gerade noch in zum Lüften erreichbarer Höhe, öffnet auf ebenerdigem Niveau mit der umgebenden, als modellierte Sukzessionsfläche gestalteten urbanen Wildnis. 

Nach Anklopfen bei einer weiteren Eingangstüre auf diesem Level lande ich in der Wettbewerbsabteilung eines großen Architekturbüros, das sich relativ spektakulär ins obere Erdgeschoß ausdehnt. Spektakulär deshalb, weil die Verbindung über die große Deckenauslassung wie eine Galerie wirkt und sich die überhöhten Raumanteile auf beiden Ebenen trotzdem so imposant entfalten.

Ein Blick in Ateliers mit eingezogenen Galerien lohnt sich auch: Im fünften Stock bohrt ein Architekt gekonnt den Weg bis auf seine Dachterrasseneinheit. Die Entwicklung in die Vertikale ist hier besonders reizvoll, weil zwei Treppenskulpturen die annähernd sechs Meter Höhe überwinden: die erste steht massiv als Regalmöbel da und führt auf eine relativ schmale Arbeitsgalerie, die zweite hängt mit ihren Stufen frei im Raum, außen sitzt ein trapezförmiger Holzkobel als Ausstieg auf. Im sechsten Stock findet sich ein gleich großes Atelier, von dieser Galerie – das Geländer aus Sperrholzplatten mit kreisrunden Ausschnitten – gelangt man über eine Balkontüre ins individuelle Freiluftwohnzimmer. Im dritten Stock – schon wieder ein Architekturbüro – gibt es eine interessante Kombination von einem mittleren Atelier (46 m2) und einem kleinen (40 m2, 2,70 m Raumhöhe) oben, also mit Eingangstüre im vierten Stock. Die Verbindung schafft im Luftraum eine filigrane Treppe auf einen breiten, transparenten Steg aus Fiberglas-Gitterplatten.

Genauer wollen wir noch eine mittlere Einheit (52 m2) betrachten. Dieser Architekt zaubert mit zwei versetzten Ebenen 27 Quadratmeter dazu: An die standardisierte Badbox schließt den vorgesehenen Anschlüssen entsprechend eine der Küchenzeilen an, dazu gestellt die ersten drei Stufen als langflorteppichbezogene Skulptur. Weiter geht es mit zackig gefalteten Stahlblechen auf 2,30 Meter Höhe zu zwei Zimmern mit jeweils einem Hochbett, diese werden über große Fenster belichtet. Vom Ende des transparenten Stegs weg führen weitere sechs Stufen auf den gegenüberliegenden Level, das Geländer-Durcheinander wird mit einem über dem Luftraum gespannten Fallnetz vermieden. Beachtenswert auch die Möblierung: Der Langflorteppich zieht sich im Wohnbereich auf der endlos wirkenden Eckbank rundherum, bis zur Liege vor der großen Fensterfront.

Großzügig bemessen und attraktiv sind die gemeinschaftlichen Flächen im Erdgeschoß: der Salon, ein für Veranstaltungen taugliches Foyer, zwei Galerien und das Café. Eine demokratische Zurverfügungstellung. Selbst wer das kleinste Atelier hat, ist Teil des Gesamten. Zudem bleiben drei Bereiche der Dachterrasse für die Gemeinschaft zugänglich und verbinden ganz oben noch einmal die beiden Stiegenhäuser.

Durch die dem inneren Raumplan folgenden Öffnungen lassen sich die sechs Stockwerke außen nicht ablesen. Das abstrakte Fassadenbild wird bis über die Freiluftwohnzimmer am Dach hochgezogen. Ohne die Lufträume in den einzelnen Ateliers wäre das Haus um zwei Geschoße niedriger, doch ein Mehrwert für das Stadtbild nicht erkennbar – dieser ist allerdings für die Gestaltungsmöglichkeiten unermesslich.

Atelierhaus C21 im Wiener Sonnwendviertel
84 Einheiten (78 Ateliers, 6 Werkstätten), Café, Salon, 2 Kunstgalerien
; Tiefgarage für 33 PKW (10 mit E-Ladestation); Dachterrasse mit 166 m2 Allgemeinfläche, 480 m2 im Eigentum.
Ateliers: Typ A 40,8 m2; Typ B 44 m2/52 m2 mit Luftraum ca. 70%; Typ C 92m2/107 m2/121 m2 mit Luftraum ca. 40 %; Raumhöhe 2,70 m, Luftraum 5,76 m, Sanitärzelle 2,20 m.

siehe auch: C21. Einfach nur Raum schaffen und Alles außer gewöhnlich