Salome. Ein Regieklassiker feiert an der Volksoper Wiederauferstehung

Vor dreißig Jahren inszenierte der Schweizer Theater-, Film und Opernregisseur Luc Bondy (1948-2015) für die Salzburger Festspiele eine hoch gefeierte Salome, die anschließend an vielen großen Häusern der Welt gespielt wurde. Von der Volksoper Wien wird nun diese ikonische Produktion wieder aufgenommen, die Witwe Marie-Louise Bischofberger-Bondy übernimmt die szenische Einstudierung und zählt dabei auf das ursprüngliche Team, nämlich Bühnenbildner Erich Wonder (79), Dramaturg Dieter Sturm (87) und Choreografin Lucinda Childs (83).

Man darf solchen Klassikern schon mit gewisser Ehrfurcht begegnen. Dass bei dieser Inszenierung natürlich keine – heutzutage so gerne eingesetzten – Videosequenzen vorkommen, ist eine Wohltat. Doch will man eine Salome, wie sie jüngst an der Wiener Staatsoper als tiefschürfendes Psychodrama gezeigt wurde, bestimmt auch nicht missen (siehe Artikel Kultur Online).

Luc Bondy zögerte, als Gérard Mortier diese Oper an ihn herantrug, fand die "pompöse, überwältigende Musik entsetzlich", doch "... plötzlich hatte ich einen Geistesblitz: Wir werden einen archaischen Thriller machen. Und ganz sicher keinen Orientalismus! ... Da die Musik nach Wien führt, dachten wir an ein Ambiente, das die Habsburger, die Fin de siècle-Monarchie, heraufbeschwört". Die Szenerie bleibt auf das Wesentliche reduziert: Den in Zentralperspektive angelegten dunklen Raum dominiert im Vordergrund eine schwarze Rampe, darunter befindet sich die Zisterne, in der Herodes den Propheten Jochanaan gefangen hält; der Palast wird in weiteren Raumschichten mit Lichtstimmungen über hohe, schmale Fensterflügel angedeutet. Luc Bondy sagte über das Bühnenbild: "Wonder ist der einzige, der auf seine poetische Art das Medium Film ins Theater gebracht hat. Nicht durch Abspielen von Filmen auf einer Leinwand, sondern durch seine Architekturen, seine Ausschnitttechnik, durch seine Perspektive und vor allem durch seinen Beleuchtungsstil."

Diese Regiearbeit trifft die Essenz des Stücks und schafft Raum, der die Figuren agieren lässt. Bondy hat die Anmerkungen von Richard Strauss wohl ernst genommen: "Überhaupt muss sich, im Gegensatz der allzu aufgeregten Musik, das Spiel der Darsteller auf größte Einfachheit beschränken ... Toben auf und vor der Bühne zugleich – ist zuviel! Das Orchester genügt dafür." Die musikalische Leitung übernimmt (noch Volksopern-) Musikdirektor Omer Meir Wellber. Er hat Luc Bondy bei einer Produktion von Rigoletto kennengelernt und Tosca an der Mailänder Scala mit ihm gemacht. "Die Intelligenz der Orchestrierung ist atemberaubend: Strauss hat in den von ihm verwendeten Tonarten Botschaften und Aussagen über das Verhältnis zwischen den Figuren verankert. Die Orchestrierung ist eine selbstständige Erzählebene, eine eigene Welt" so der Dirigent, und weiter: "... Strauss hat die [von Richard Wagner begründete] Leitmotivtechnik bei Freud auf die Couch gelegt und erzählt im Orchester eine ganze Welt des Unbewussten. Das ist viel komplexer". 'Zu laut, zu schnell, zu heftig' musste der Dirigent an Kritik (die hier gewiss nicht geteilt wird!) zu seiner Salome einstecken. Wellber hält die Akustik in der Volksoper jedoch für trocken genug, Details gut hörbar herauszuarbeiten.

Und das gelingt hervorragend! Als Salome passt die international gefeierte Sopranistin Astrid Kessler (sie begeisterte an der Volksoper bereits als Wally und Gräfin Mariza) auch in ihrer Erscheinung perfekt für das junge, obsessive Mädchen, das sich in ihr Begehren nach dem Propheten irrsinnig hineinsteigert. Der stimmgewaltige finnische Bariton Tommi Hakala gibt einen sehr charismatischen Jochanaan. Nachvollziehbar, dass die Nazarener und Juden darüber streiten, ob der Mann ein Prophet sei, und vor allem den Herodes das Grauen packt, wenn Salome den Kopf des heiligen Mannes als Lohn für ihren Tanz einlöst. Der Charaktertenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist ein wunderbarer Herodes: eifrig-geschwätzig, unsicher, jedoch penetrant übergriffig und lüsternd. Als Herodias wird die Wiener Sopranistin Ursula Pfitzner ihrer etwas unheimlichen Rolle gerecht, sie hat ein Unrecht begangen, das ständig aus dem tiefen Verlies heraus angeklagt wird.

Am Ende küsst Salome den abgetrennten Kopf des Jochanaan, beißt in seine Lippen, "... es hat gut geschmeckt ... ich habe ihn geküsst, deinen Mund." Was für eine grausame, beklemmende Oper! Volksoperndirektorin Lotte de Beer ist überzeugt, dass „... manche Inszenierungen einen Ewigkeitswert haben“, verneigen darf man sich hiermit aber auch vor der musikalischen Ensembleleistung im Heute!

Richard Strauss (1864–1949)
Salome
Musikdrama in einem Aufzug

Musikalische Leitung: Omer Meir Wellber
Rekreation der Inszenierung der Salzburger Festspiele 1992 von Luc Bondy
Szenische Einstudierung: Marie-Louise Bischofberger-Bondy
Bühne: Erich Wonder
Kostüme: Susanne Raschig
Choreographie: Lucinda Childs
Licht: Alexander Koppelmann
Dramaturgie: Dieter Sturm

Salome: Astrid Kessler
Herodes: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Herodias: Ursula Pfitzner
Jochanaan: Tommi Hakala
Narraboth: JunHo You
Page: Stephanie Maitland