Ostasiatische Filmkunst – Japanische Klassiker in St. Gallen und Zürich

Akira Kurosawa, Yasujirô Ozu und Kenji Mizoguchi gelten als das Dreigestirn des japanischen Kinos, das in den 1950er Jahren Weltruhm erlangte. Doch die Filmkunst des Lands der aufgehenden Sonne lässt sich bei weitem nicht auf diese drei Meister reduzieren. Wie sich in Filmen japanische Zeit- und Gesellschaftsgeschichte spiegelt, soll eine Filmreihe im St. Galler Kinok und im Filmpodium Zürich aufzeigen.

Schloss sich Japan bis 1850 vom Westen ab, so musste es sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Druck der USA, Russlands und Englands öffnen, entdeckten die westlichen Mächte im ostasiatischen Inselstaat doch einen attraktiven Absatzmarkt. Auf diese erzwungene Öffnung folgten im Land gesellschaftliche Reformen mit Aufhebung des alten Ständesystems, aber auch die Industrialisierung, mit der man dem Westen Paroli bieten wollte. Forciert wurde vor allem die Aufrüstung, die Japan zu einem Machtfaktor in Ostasien machte.

Diese wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung führte auch dazu, dass schon im Februar 1897 – nur 14 Monate nach den ersten Filmvorführungen in Paris – in Osaka Filme von einer Schifffahrt auf der Themse, einem Tanzfest in Paris und von Zar Nikolaus II. gezeigt wurden. Die ersten Filmaufnahmen in Japan machte ein französischer Ingenieur, aber noch im selben Jahr kam es zum ersten japanischen Versuch.

Um 1900 gehörten Filmvorstellungen schon zur beliebtesten Unterhaltung und 1908 wurde das erste Filmstudio gebaut. Bei der Produktion ließ man sich vielfach von westlichen Filmen inspirieren, die Werke von Chaplin, Griffith und der expressionistische Film Deutschlands stellten eine wichtige Anregung für junge Regisseure dar. Aber auch die Produktion stieg rasant an und in den 1920er Jahren überflügelte die Zahl der einheimischen Filme die ausländischen.

Nicht nur Unterhaltungsfilme wurden gedreht, sondern in Spiel- und Dokumentarfilmen auch Kritik an den wirtschaftlichen Problemen und Klassengegensätzen geübt, während sich Regisseure wie Yasujirô Ozu und Mikio Naruse auf die realitätsnahe Schilderung des kleinbürgerlichen Alltags spezialisierten, die Schattenseiten und die harte Wirklichkeit dabei aber nicht aussparten.

Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde der Tonfilm erst 1930 und 1931 eingeführt, setzte sich dann aber rasch durch. Wirtschaftlich brach 1935 das goldene Zeitalter für die japanische Filmindustrie an, stieg die Besucherzahl in den folgenden fünf Jahren von 185 Millionen auf 405 Millionen doch auf mehr als das doppelte. Auf der anderen Seite schränkte eine seit der Mandschurei-Krise (1931/32) zunehmend restriktive Medienpolitik die Freiheit der Regisseure immer mehr ein.

Dies zeigt sich auch im Werk des 1909 geborenen Sadao Yamanaka, der anfänglich mit "Tange Sazen and the Pot Worth a Million Ryo" (1935) einen komödiantischen Samuraifilm drehte, in der Folge aber, beeinflusst von dem stärker werdenden Militärregime, in "Ninjô kami fûsen" ("Humanity and Paper Balloons", 1937) pessimistischer und dunkel vom Kollaps eines rigiden Klassensystems erzählte.

Nationalistische Töne, mit denen man das Volk für die imperialistische Politik gewann und die sich anbahnenden Kriege gegen China und die USA vorbereitete, wurden auch in den Filmen zunehmend stärker. Selbst in den Filmen Yasujirô Ozus, Kenji Mizoguchi und Akira Kurosawas zeigt sich in dieser Zeit der Einfluss des verschärften Militarismus. Denn ganz im Gegensatz zu seinen anderen Filmen ließ sich Ozu in "Chichi Ariki" ("Es war einmal ein Vater", 1942) zu einer Verherrlichung einer Vaterfigur hinreißen.

Kurosawas Debüt "Sanshiro Sugata" ("Judo Saga – Die Legende vom großen Judo", 1943) wiederum wies in der Schilderung eines patriarchalischen Absolutismus einige Affinität zur Politik der Kriegszeit auf und auch Mizoguchi konnte sich in einem Film wie "Roei no Uta" ("Lieder im Lager", 1938) trotz der Schilderung der tragischen Geschichte einer Frau in Kriegszeiten dem Geist des Nationalismus nicht entziehen.

Nach der Niederlage Japans hoben die Alliierten unter Führung der Amerikaner die Kontrollen auf. Verboten wurde nun aber die Verbreitung feudalistisch-militaristischer Ideologie, gefördert wurden aufklärerische Themen wie Liberalismus und Demokratie.

Obwohl sich das Publikum vor allem nach Unterhaltung sehnte, entstanden auch zeitkritische Filme wie Kurosawas "Waga Seishun ni Kuinashi" ("Ich bedauere meine Jugend nicht", 1946), der von einer selbstbewussten jungen Japanerin handelt, die sich gegen den Krieg stellt, Mizoguchis "Josei no Shori" ("Sieg der Frauen", 1946), in dessen Zentrum eine demokratisch gesonnene Anwältin steht, oder die ersten Nachkriegsfilme Ozus, in denen er Armut und psychisches Elend thematisiert.

Wurde das japanische Kino bis dahin international kaum wahrgenommen, so änderte sich das 1951 mit dem Triumph von Kurosawas "Rashomon" (1950) bei den Filmfestspielen von Venedig schlagartig. Die Filme von Ozu, Mizoguchi und Kurosawa wurden nun international gefeiert. Ozu perfektionierte bis zu seinem frühen Tod 1963 in meisterhaften Familiendrama wie "Tokyo Monogatari" ("Reise nach Tokio", 1953) seinen Stil der Einfachheit, Mizoguchi, der schon 1956 starb, widmete sich in meisterhaft komponierten Bildern und langen Plansequenzen immer wieder der Unterdrückung der Frau ("Ugetsu monogatari – Erzählungen unter dem Regenmond", 1953; "Sansho Dayu - Ein Leben ohne Freiheit", 1954), während Kurosawa sich stärker von der westlichen Kultur beeinflussen ließ.

Er adaptierte Dostojewskis "Idiot" ("Hakuchi", 1951) ebenso wie Shakespeares "Macbeth" ("Kumonosu-jō -Das Schloss im Spinnwebwald", 1957) und "King Lear" ("Ran", 1985) und übte gleichzeitig mit seinen Filmen wiederum großen Einfluss auf westliche Filmemacher aus. Sein Meisterwerk "Shichinin no Samurai" ("Die sieben Samurai", 1954) war die Vorlage für John Sturges´ "The Magnificent Seven" (1960), ohne die Rechte zu besitzen, verfilmte Sergio Leone "Yojimbo" ("Der Leibwächter", 1961) unter dem Titel "Per un pugno di dollari" (1964) neu und offen muss auch bleiben, wie George Lucas´ "Star Wars" (1977) ohne das Vorbild von "Kakushi Toride no San-Akunin" ("Die verborgene Festung", 1958) aussehen würde.

Aber neben dem künstlerisch anspruchsvollen Film, gab es auch ein kommerzielles Kino, das neben Filmen über Mutterschicksale ("Hahamono"-Films), melancholischen Musikfilmen und "Angestellten-Komödien" auch Monsterfilme wie "Gojira – Godzilla" (1954) hervorbrachte, die den Schrecken der Atombombe reflektierten.

Die Generation der Altmeister erhielt schon Ende der 1950er Jahre mit Regisseuren wie Kon Ichikawa und Masaki Kobayashi Verstärkung oder auch Konkurrenz. Drastisch wurden in deren Filmen "Nobi" (1959) und Ningen no Joken I-III ("Barfuß durch die Hölle", 1958-60) die Kriegsgräuel geschildert. Scharfe Kritik an der japanischen Gesellschaft und neue Erzählformen entwickelte dagegen Nagisa Oshima, mit dem praktisch parallel zu den filmischen Erneuerungsbewegungen in anderen Teilen der Welt wie Frankreich und Deutschland auch in Japan eine "Neue Welle" begann.

Zwar waren die Zuschauerzahlen wie in anderen Ländern auch in Japan aufgrund der zunehmenden Konkurrenz des Fernsehens in den 1960er Jahren drastisch zurückgegangen, doch die Produktionszahl blieb mit rund 350 Filmen relativ konstant. Statt aufwändiger Historien- und Samuraifilme drehte man nun aber neben zahlreichen Sexfilmen vor allem "kleinere" Gegenwartsfilme. Zudem traten neben die großen Studios unabhängige Produzenten.

Yakuza-Filme verdrängten ab den 1980er Jahren zunehmend die Samuraifilme, zu einem starken und international viel beachteten Segment wurden die Animé, deren unbestrittener Meister Hayao Miyazaki und das von ihm zusammen mit Isao Takahata 1985 gegründete Ghibli Studio ist. Aber auch im Bereich der Horrorfilme wurde das japanische Kino mit Regisseuren wie Hideo Nakata und Kiyoshi Kurosawa,zu einem wichtigen Vorbild für Hollywood.

Immer gut für brutale Gewaltexzesse sind Takeshi Kitano ("Hana Bi", 1997) und der Schnellfilmer Takashi Miike, aber auch furiose Exzentriker wie Sion Sono ("Love Exposure", 2008) und Meister leiser Dramen fehlen mit Hirokazu Kore-eda ("Nobody Knows", 2004; "Like Father, Like Son", 2013)), Masahiro Kobayashi ("The Rebirth", 2007) oder Aoyama Shinji ("Eureka", 2000) im gegenwärtigen japanischen Kino nicht.