Monika Sosnowska - Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt

Monika Sosnowska gehört zu den bekanntesten Künstler:innen der Gegenwart und zu den wichtigsten lebenden Kunstschaffenden aus Osteuropa. Das Zentrum Paul Klee widmet der polnischen Künstlerin eine Einzelausstellung. Es ist die erste Ausstellung, die sich neben der Präsentation grossformatiger Werke auf den Arbeitsprozess der Künstlerin fokussiert. Seit den frühen 2000er-Jahren hat sie ein charakteristisches bildhauerisches Werk entwickelt. Ihre oft raumfüllenden Skulpturen und architektonischen Installationen aus Stahl, Beton oder anderen Baumaterialen setzen sich mit der gebauten Umwelt auseinander. Sie verfremdet und verformt sie in verblüffender Art und Weise.

Gezeigt werden 18 Skulpturen der vergangenen zehn Jahre. Ein ortspezifisches Werk schafft Sosnowska eigens für die Ausstellung im Zentrum Paul Klee. 50 Modelle sowie Aufnahmen des einzigartigen Herstellungsprozesses ihrer Werke geben Einblick in den Arbeitsprozess der Künstlerin. Eine Auswahl an Fotografien von Sosnowska selbst veranschaulichen ihre Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum und seinen Veränderungen, mit Fokus auf Warschau.

Monika Sosnowska (*1972 in Ryki) ist eine Künstlerin, die sich intensiv mit der gebauten Umwelt auseinandersetzt. Nicht nur mit Architektur im engen Sinne, sondern auch mit den wenig beachteten Leerstellen dazwischen – dem städtischen Raum, in dem wir uns bewegen. Sie wuchs in der sozialistischen Volksrepublik Polen auf und erlebte 1989 die Einführung der Demokratie. Ihre Ausbildung erhielt sie an der Kunstakademie Poznań unter Jarosław Kozłowski, einem der bekanntesten Vertreter der Konzeptkunst Polens, sowie an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam. Heute lebt und arbeitet die Künstlerin in Warschau – eine ihrer wichtigsten Inspirationsquellen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die polnische Hauptstadt fast gänzlich zerstört. Ihr Wiederaufbau als sozialistische Planstadt konnte die Verluste und Lücken nicht wettmachen, führte aber nach dem Ende des Stalinismus zu einer Hochblüte moderner Architektur im Bauhausstil. Nach der politischen Repression der 1980er-Jahre und schliesslich der demokratischen Wende 1989 nahm die Marktwirtschaft den öffentlichen Raum in Beschlag. Zahlreiche temporäre Bauten wie Basare, Märkte, Passagen und Einkaufszentren entstanden. Seither befindet sich Warschau permanent im Wandel. Das Stadtbild ist geprägt von räumlichen Leerstellen, historischen Brüchen und der Koexistenz widersprüchlicher Architekturstile.

Die Architektur der Nachkriegszeit war mit gesellschaftlichen Fortschrittsversprechen verknüpft, die gescheitert sind. Stattdessen verbreitete sich nach 1989 in Polen ein Gefühl des strukturellen Zusammenbruchs und des Verlusts der Tragfähigkeit gesellschaftlicher und politischer Strukturen. Die historische und materielle Instabilität übersetzt Sosnowska in eine plastische Sprache. Sie verwertet Elemente, die sich auf einer Warschauer Abrissstelle finden liessen. Diese werden zu eigenständigen, poetisch anmutenden, verspielten skulpturalen Formen, die wie abstrakte Zeichnungen im Raum stehen. Im weiteren Sinne greift Sosnowska auch ein Gefühl der Erschöpfung, Abnutzung oder Leere auf. Wenn sie Trägerstrukturen aus Stahl kreiert, die müde erscheinen, weist sie auf das Scheitern der grossen Utopien des 20. Jahrhunderts hin: Was einmal als stützende Konstruktion gedacht war, entpuppt sich als kraftlos.

Bevor Monika Sosnowska ihre meterhohen, unbeugsamen Skulpturen schafft, fertigt sie kleine, filigrane Arbeitsmodelle an – die Gestalt der Skulpturen entsteht im Wesentlichen am Modell. Sie bestehen vorwiegend aus Karton, Papier oder Draht, teilweise auch aus Holz, Gips, Sand oder Farbe. 50 dieser Modelle sind in der Ausstellung ausgestellt. Erstmals werden sie so umfassend präsentiert. Die Modelle in der Ausstellung umfassen die gesamte Laufbahn der Künstlerin von den späten 1990er-Jahren bis heute.

Sosnowska selbst betrachtet ihre Modelle nicht als Kunstwerke, sondern Arbeitsinstrumente. Für die Umsetzung eines Modells als Skulptur arbeitet die Künstlerin mit Ingenieur:innen und Schlosser:innen zusammen. Jedes Werk benötigt eine eigene Strategie und damit eine experimentelle Vorgehensweise. Zunächst wird jeweils das architektonische Element hergestellt, das die Grundlage des Werks bildet – ein Geländer, ein Marktstand oder etwa eine Fassade. Die zu Beginn funktionsfähigen Bauelemente werden analog zum Modell in ihre skulpturale Form gebracht. Dies unter enormen Kräften: Mit Lastwagen, Kränen, Seilwinden und anderen Methoden werden die Strukturen unter Druck oder Zug verändert und deformiert. Eine Diashow mit Fotografien von Juliusz Sokołowski zeigt exemplarisch die Herstellung des monumentalen Werks "Tower" (2014).

Monika Sosnowska
Bis 10. September 2023