Kyra Spieker – Der rote Faden

Mit der Ausstellung "Der rote Faden. Künstler im Dialog mit Angewandter Kunst (3)" ermöglicht die international renommierte Künstlerin Kyra Spieker einen ungewöhnlichen Blick auf von ihr ausgewählte Stücke der Stoffsammlung des mpk. Bis zum 3. November 2013 kann zwischen abstrakten Porzellan und Papierarbeiten Spiekers und Stoffen aus der Kunsthandwerklichen Sammlung lustgewandelt werden.

Denn es ist zunächst ein reines Vergnügen, den rhythmischen Strukturen der zart schimmernden Porzellanarbeiten und dem mitunter elegant verschlungen Rapport der Damaste und Brokatstoffe aus der hauseigenen Sammlung zu folgen. Auf den zweiten Blick eröffnen sich weiterführende Überlegungen zu den Verbindungen beider Bereiche.

Zum dritten Mal werden Artefakte der Kunsthandwerklichen Sammlung in den künstlerischen Fokus genommen. Beim Aufeinandertreffen von Angewandter und Bildender Kunst finden aufschlussreiche Verschiebungen ursprünglicher Zusammenhänge statt, die dazu auffordern, Altbekanntes im neuen Licht zu sehen. Die eigens für diesen Dialog geschaffenen Kunstwerke geben jeweils umgekehrt Einblick in das künstlerische Denken. Dabei beleuchtet die Ausstellungsreihe in jeder Folge aufs Neue individuell den grundsätzlichen Umgang mit Kultur, stellt Fragen nach der Art und Weise unserer Wahrnehmung und liefert Aufschlüsse, wie wir Neues entwickeln.

Spiekers Arbeiten bestechen durch einen verblüffenden Umgang mit dem Raum. Grundlage ihrer Arbeit ist ein Würfelmodul mit wellenförmigen Ober- und Unterkanten. In Porzellan gefertigt, ist jeder Würfel einzeln eine gleichermaßen elegante wie schlichte Erscheinung. Zu mehreren als Modul geschichtet, gedreht und aneinandergereiht, lassen sie hingegen hochkomplexe, variantenreiche Rhythmen entstehen, die das Auge lange beschäftigen. Die Kombination von Raum, Oberfläche und Linie führt im Zusammenspiel zu imponierenden Werken, die ein darunterliegendes System spürbar werden lassen und deren Ordnung man instinktiv ergründen möchte.

Spiekers ausgewählte "Gesprächspartner", Stoffe aus dem 17. und 18. Jahrhundert, bestechen durch ihre mitunter ausgeklügelten üppigen Muster. Aber auch die einfacheren Ausführungen der Damaste, Seiden- und Silberbrokatstoffe wecken eine gewisse Ehrfurcht. Denn immer schwingt bei der Betrachtung der Gewebe der Versuch mit, die Webstrukturen zu entschlüsseln und damit automatisch der Gedanke an die Komplexität der Einrichtung des Webstuhls. Für glanzvolle Auftritte sorgen darüber hinaus eingewebte Silber- und Goldfäden. Der Verlauf der Muster sowie die Wahl der Farben vermitteln neben den Webrichtungen von Kett- und Schussfäden eine zusätzliche Räumlichkeit. Hier liegt die thematische Schnittstelle zum Werk von Spieker: Raum, Ordnung und im weiterführenden Sinne Orientierung sind die zentralen Themen ihrer Arbeit.

Der Blick Spiekers allerdings zielt tiefer und grundsätzlicher. Mit ihren Werken lässt sie sich nicht auf die Oberfläche der Stoffe selbst ein, sondern - und das mag zunächst verwundern - auf deren Raumgefüge. Kette und Schuss, Horizontale und Senkrechte, werden je nach Bindung der Stoffe unterschiedlich miteinander verkreuzt. Die Künstlerin widmet sich demnach einem Raum, der zunächst unsichtbar, aber wesentlich ist. Wie Spieker die räumliche Binnenstruktur der Stoffe zum Ausdruck bringt, welchen roten Faden sie von den Artefakten vergangener Zeiten bis hin zu ihren aktuellen Arbeiten legt, bleibt eine Überraschung bis zur Eröffnung.

Kyra Spieker – Der rote Faden
7. September bis 3. November 2013