Die Darstellung der Stille

Kunst Meran zeigt vom 12. November bis zum 6. Januar eine Einzelausstellung von Walter Moroder. Die Ausstellung – kuratiert von Valerio Dehò – umfasst 20 neue Arbeiten in den Techniken Holz, Lehm, Gips und Pellett aus den Jahren 2010 – 2013. In der Kunst von Moroder (Jahrgang 1963), wie in seinem Erfahrungsschatz, finden sich einige zentrale skulpturale Elemente wieder: Körperausdruck und Formgebung.

Sein Interesse für die figürliche Darstellung ist tief in seiner Kultur und seiner Gestaltungserfahrung verankert. Das ladinische Umfeld und die angesehene Schnitzertradition des Grödnertals, die Ausbildung in der Werkstatt des Vaters David Moroder gepaart mit dem Studium bei Hans Ladner an der Akademie der Bildenden Künste in München, ebneten den Weg für eine behutsame Erkundung des menschlichen Körpers, der Modellierung von Holz und der Figur-Raum-Beziehung.

In seinen Schriften und Interviews schreibt und spricht der Bildhauer immer wieder über das Beunruhigende. Es zieht sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit und ist fester Bestandteil seiner Kunstauffassung. Stille und Zeitlosigkeit sind die wichtigsten Merkmale seiner Kunst. Die Lebendigkeit der Figuren, die seine Kunst suggeriert, ist nicht real. Sie ist viel abstrakter und universeller. Im Unterschied zu Künstlern wie Alberto Giacometti, von dem er sich inspirieren ließ, versetzt Moroder seine stillen Figuren nicht in Erregung und verleiht ihnen keine endgültigen physiognomischen Eigenschaften, noch setzt er Skulpturales für die Bestimmung von Regungen oder Leidenschaften ein. Während bei Giacometti die Qual, die Unruhe, die Figuren in eine molekulare Erregung versetzt, ist bei Moroder die Unruhe still.

In seinen jüngsten Arbeiten, denen in der Ausstellung das Hauptaugenmerk gilt, ist eine künstlerische Reife bemerkbar, es wird eine neue Unruhe und der Sinn für Veränderung deutlich. Der Künstler will sich neuen Herausforderungen stellen, ohne sich vom zentralen Gegenstand seiner Erkundung und von den wegweisenden geschlossenen Formen allzu stark zu entfernen. Und selbst wenn die Außenhaut jetzt "makuliert" ist durch den Einsatz von Hammer und Messer, somit die Textur betont wird, bleibt die strenge Gestaltung der Figur – also das Form-Sein ohne Bewegung – davon nicht nur stets unberührt, sondern wird dadurch sogar noch hervorgehoben.

Selbst wenn die skulpturale Oberfläche eine größere Stofflichkeit hat, heißt das nicht, dass wie bei Balkenhol die Energie und Härte des Ausdrucks frei wird. Im Gegenteil, nie verlässt Moroder die Sphäre der meditativen Gestaltung und einer Klassizität, die die eigenen Grenzen genau kennt. Die Körper-Simulakren, ihre gleichzeitige Anwesenheit und Abwesenheit, bestimmen nicht nur die Beziehung zum Raum, sondern lassen sich von ihm auch einnehmen. Es sind offene Formen, keine geschlossenen wie bei manchen klassischen Skulpturen. Hier schreibt sich Moroder in die Tradition des 20. Jahrhunderts ein, die eine Öffnung der Raum-Formen für die Umgebung erreichte und die Begegnung mit dem Betrachter intensivierte.


Die flachreliefartigen Oberflächen einer neuen Werkgruppe rücken sein plastisches Werk in die Nähe der Malerei, oder, besser, führen es auf die Zeichnung als ein weiterer Aspekt seiner Arbeit zurück. Dadurch wird aber auch das Oberflächenspiel, die "Facettierung" hervorgehoben, die dem Material Leichtigkeit und der Gesamtkomposition die Wirkung einer Einheit verleiht. Die Formen sind nach wie vor wesentlich, das Volumen verflacht und wird zu einer Linie, zu einer Zeichnung aus Licht und Schatten.

Bei anderen Arbeiten in Holz und Gips wiederum verliert die Figur endgültig ihr Gesicht und sind alle Ausdrucksmöglichkeiten verbannt. Was bleibt, sind Formen, wie Kokons, und die Möglichkeit, dass etwas wiedergeboren wird oder so bleibt wie es ist. Gleichwohl verweisen die Binden, der Gips und der Klebstoff, die im Laufe der Geschichte nicht nur bei den Ägyptern, sondern auch in Performances wie denen des Wiener Aktionismus Verwendung fanden, immer noch auf den menschlichen Körper.

Diese Andeutungen und Gegenüberstellungen eröffnen der Kunst Moroders neue Dimensionen, die über die menschliche Figur und die Unruhe des Menschseins hinausweisen, hin zu etwas immer stärker Metaphysischem. Die Kleidung als Umhüllung und Behältnis für den Körper kann diesen repräsentieren , aber nicht ersetzen.

Walter Moroder – Die Darstellung der Stille
13. November 2013 bis 6. Januar 2014