Crossing Europe 2012: Plattform für den engagierten Autorenfilm

23. April 2012
Bildteil

Zwar muss das Linzer Filmfestival Crossing Europe heuer den Ausfall eines Hauptsponsors verkraften, dennoch bieten Festivalleiterin Christine Dollhofer und ihr Team wieder ein vielfältiges Programm mit knapp 150 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen. Im Zentrum steht wieder der junge europäische Autorenfilm, durchsetzt mit Werken großer Meister. Für ein Kontrastprogramm sorgt auch heuer wieder die Schiene "Nachtsicht", in der europäische Horrorfilme präsentiert werden.

Wie schon in den letzten Jahren wird Crossing Europe auch heuer parallel mit vier Filmen eröffnet. Großes europäisches Autorenkino wird dabei mit Andrea Arnolds Emily Brontë-Verfilmung "Wuthering Heights" ebenso geboten wie mit Tim Fehlbaums postapokalyptischem Thriller "Hell" Genrekino deutscher Prägung. Auf den der Rumänin Anca Damian gewidmeten Tribute wird man wiederum mit dem ungewöhnlichen Animationsfilm "Crulic – The Path to Beyond" eingestimmt, während der israelische Regisseur David Fisher in "Six Million and One" in Oberösterreich der KZ-Haft seines Vaters nachspürt.

Im Wettbewerb um den mit 10.000 Euro dotierten Crossing Europe Award konkurrieren neun erste oder zweite Spielfilme aus Europa. Schon einiges gehört hat man von Joachim Triers Drama um einen von Selbstmordgedanken gequälten Mann "Oslo, 31. August", das bulgarische Roadmovie "Avé" und Alice Rohrwachers Regiedebüt "Corpo celeste". Gespannt sein darf man aber auch auf Andrew Haighs "Weekend" oder "It Looks Pretty from a Distance", der in ein tristes polnisches Dorf entführt. Um Frauenschicksale kreisen wiederum der französische Beitrag "Louise Wimmer" und der georgische "Salt White".

Kann man im Wettbewerb junge Regisseure entdecken, so wartet die Sektion "Panorama Europa" mit einigen großen Namen auf. Bela Tarrs bei der Berlinale 2010 preisgekrönter "The Turin Horse" ist hier ebenso zu sehen wie Bruno Dumonts "Hors Satan" und Andrei Zvyagintsevs "Elena". Diese Filme zeigen schon, dass man in Linz keine Kompromisse macht, sondern dem Autorenfilm, der auch eine entschieden eigene filmische Sprache spricht, eine Plattform bietet. Platz hat daneben aber auch ein Film wie David Mackenzies Date-Movie "You Instead".

Neben dem Spielfilm kommt auch der Dokumentarfilm nicht zu kurz. Skater in der DDR der 1980er Jahre ("This ain´t California") werden hier ebenso porträtiert wie kämpferische Libyer ("Free Libya") oder eine gehörlose junge Deutsche ("Louisa"). Gesellschaftskritisches bietet die Sektion "Arbeitswelten", in der unter anderem "Work Hard – Play Hard", in dem es um die Gewinnmaximierung in Großunternehmen geht, gezeigt wird.

Dazu kommt neben dem Tribute für die Rumänin Anca Damian die wiederum von Markus Keuschnigg kuratierte Sektion "Nachtsicht", die ein willkommenes Kontrastprogramm zum restlichen Festival bietet. Wieder hat Keuschnigg fünf europäische Horrorfilme ausgesucht. Der Bogen spannt sich dabei von Tim Fehlbaums Eröffnungsfilm "Hell" bis zu dem von "Drive"-Regisseur Nicolas Winding Refn produzierten Gangsterfilm "Blacks Game". Aus Spanien kommt Jaume Balaguerós Thriller "Mientras duermes – Sleep Tight" und "[Rec]³ Genesis", der eine komödiantische Mischung zwischen Horror und Telenovela bietet.

Aber wie schon in den letzten Jahren, so versteht sich Crossing Europe daneben auch wieder als Plattform für das lokale Filmschaffen und wirft mit 55 kürzeren und längeren Filmen einen Blick auf das oberösterreichische Filmschaffen. So wurde für "Attwenger Fluxgigs" drei Monate die Tour des Duos mit einer Handykamera festgehalten, während David Gross in "Holy Waters" der Frage nachgeht, ob Wasser Wunder wirken kann. Ein Porträt der lateinamerikanischen Streetart- und Graffitiszene ("Calle Libre") gibt es hier ebenso zu sehen wie eine Dokumentation von Erich und Libertad Hackl über den Exilschrfitsteller Fritz Kalmar ("Der Heimwehträger").

Insgesamt ist das also ein Programm, das in seiner Vielfalt und in seinem radikalen Verzicht auf Kommerzware große Lust auf das Festival macht. – Jetzt müssen nur noch die Filme das halten, was sie versprechen.

Festivaltrailer: Crossing Europe 2012