Crossing Europe 2011: Junge Autorenfilmer, Red Western und Horror aus Europa

12. April 2011
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Mit acht Ausgaben kann man das Linzer Filmfestival "Crossing Europe" als etabliert bezeichnen. Klare Programmierung mit Fokussierung auf dem jungen europäischen Autorenfilm und markanten weiteren Sektionen sorgen bei der von Christine Dollhofer geleiteten Veranstaltung alljährlich für ein abwechslungs- und auch entdeckungsreiches Programm. Auch heuer lassen die 160 Lang- und Kurzfilme wieder auf einen spannenden Mix hoffen.

Eröffnet wird Crossing Europe 2011 parallel mit vier Filmen, die in die unterschiedlichen Programmsektionen einführen. Auf den Tribute für die niederländische Regisseurin Nanouk Leopold und ihre Produzentin Stienette Bosklopper stimmt ihr neuestes Werk "Brownian Movement" ein, während der ostdeutsche Western "Chingachgook, die große Schlange" die Sektion "Red Westerns", John Landis´ "Burke & Hare" die Reihe "Nachtsicht" und Bernhard Sallmanns "Das schlechte Feld" die "Local Artists" einleiten.

Der ausnahmslos ersten und zweiten Spielfilmen europäischer AutorenfilmerInnen vorbehaltene Wettbewerb startet dann am Mittwoch. Neun Film aus ebenso vielen Ländern konkurrieren um den mit 10.000 Euro dotieren Crossing Europe-Award. Deutschland ist mit dem letztes Jahr in Locarno uraufgeführten "Im Alter von Ellen" von Pia Marais vertreten. Wie bei Marais, die vor vier Jahren in Linz für ihr Debüt "Die Unerzogenen" ausgezeichnet wurde, steht auch in "Pál Adrienn" der der Ungarin Ágnes Kocsis mit der phlegmatischen Krankenschwester Piroska eine Frau im Mittelpunkt, die unvermittelt aus dem Alltagstrott geworfen wird.

Aus Großbritannien wurde "Archipelago" eingeladen, in dem sich Joanna Hogg anhand einer Familie mit der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen auseinandersetzt. Ebenfalls auf eine Familie fokussiert der Rumäne Constantin Popescu in "Principii de viata – Principles of Life", während der Slowene Vlado Škafar in „Oca – Dad“ von den Auswirkungen einer Scheidung auf eine Vater-Sohn-Beziehung erzählt.

Nikola Lezaic wiederum zeichnet in "Tilva Ros" ein teilweise fast dokumentarisch anmutendes Porträt einer perspektivelosen serbischen Jugend von heute, während sich der spanische und der tschechische Wettbewerbsbeitrag mit der Geschichte des jeweiligen Landes und der persönlichen Geschichte beschäftigen: Lluís Galter erzählt in "Caracremada" vom Guerrillakrieg gegen Franco in den frühen 1950er Jahren, während der Tscheche Václav Kadrnka sich in "Osmdesát Dopisu – Eighty Letters" autobiographisch getönt mit der Ausreise seiner Familie aus der Tschechoslowakei 1987 beschäftigt.

Neben dem Wettbewerbs bietet auch die Sparte "Panorama Europa" einen kleinen Überblick über aktuelle europäische Autorenfilme. Der Bogen spannt sich hier von Oleg Novkovics schon in Locarno gezeigtem kraftvollen "Beli Beli Svet – White White World" bis zu "Copacabana", in dem Marc Fitoussi mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle von einem problembeladenen Mutter-Tochter-Beziehung erzählt. Auch Dokumentarfilme fehlen hier nicht: Sandra Trostel porträtiert beispielsweise in "Utopia Ltd." die Hamburger Post-Punk-band "1000 Robota", Michael Madsen dokumentiert in "Into Eternity" die Entstehung des weltweit ersten Endlagers für Atommüll in Nordfinnland und Dieter Auner begleitet in "Off the Beaten Track" einen Schafhireten und seine Familie ein Jahr lang durch Transsilvanien.

In der brandaktuellen Sparte "Stadt-Migration-Identität" kann man unter anderem Bruno Molls erfrischendes Porträt der Spielerinnen eines multikulturellen Berner Frauenfußballclubs ("Pizza Betlehem"), "Neukölln Unlimited", in dem Agostino Imondi und Dietmar Ratsch den Alltag im Berliner Stadtteil erkunden, oder "Le bateau en carton", in dem José Vieira ein Bild der Roma in Frankreich zeichnet, entdecken. Im Mittelpunkt der fünf Dokumentarfilme, die in der Sektion "Arbeitswelten" gezeigt werden, stehen heuer die Einflüsse der Umbrüche in der Wirtschaft auf das Leben werktätiger Frauen.

Einen Überblick über und einen Einblick in das Werk der niederländischen Regisseurin Nanouk Leopold, von der bislang nur "Wolfsbergen" den Weg in die heimischen Kinos fand, wird der Tribute für Leopold und ihre Produzentin Stienette Bosklopper vermitteln, während die Reihe "Red Western" Ungewöhnliches zu einem alten Genre bringen wird. Hier gibt es nämlich nicht nur Lew Kuleshovs Jack London-Verfilmung "Pa zakonu – Nach dem Gesetz" zu sehen, sondern auch zwei in den 60er Jahren als Gegenstück zu den Karl-May-Filmen entstandene DDR-Western und fünf sowjetische Western, in denen es immer wieder um den Bürgerkrieg und Kämpfe in abgelegenen Regionen des Sowjetreiches geht.

Nie fehlen dürfen in Linz auch lokale Filmemacher und einen starken und willkommenen Kontrast zum Arthousekino bietet immer wieder das von Markus Keuschnigg kuratierte Programmsegment "Nachtsicht". Gespannt sein darf man hier bei dieser dem neuen europäischen Horrorfilm gewidmeten Reihe unter anderem auf den selbstironischen belgischen Vampirfilm "Vampires", den französisch-belgischen Splatter Horror "La meute – The Pack" oder den norwegischen Troll-Film "Trolljegeren – The Troll Hunter" und natürlich auf "Burke & Hare", den ersten Film von "American Werewolf" und "The Blues Brothers"-Regisseur John Landis seit 12 Jahren.