Crossing Europe 2016: Linz im Zeichen des jungen europäischen Films

19. April 2016
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Auch in seiner 13.Auflage präsentiert das Linzer Filmfestival Crossing Europe (20. – 25. April 2016) eine handverlesene Auswahl von 162 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen. Großteils als österreichische Erstaufführungen werden Highlights der vergangenen Festivalsaison gezeigt, aber auch Einblick in das aktuelle oberösterreichische Filmschaffen wird geboten.

Wie gewohnt werden schon mit den Eröffnungsfilmen die unterschiedlichen Sektionen des Festivals vorgestellt. Neben dem von einem Kollektiv von zehn jungen Schweizer Filmemachern gedrehten "Heimatland" steht zum Start mit "Dobra žena – A Good Wife" das Spielfilmdebüt der Schauspielerin Mirjana Karanovic auf dem Programm. Während Karanovic darin vom Zerbrechen eines Familienidylls am Stadtrand von Belgrad erzählt, dokumentiert Jasmila Zbanic in "Jedan dan u Sarajevu – One Day in Sarajevo" zusammen mit befreundeten Filmemachern die Gedenkfeierlichkeiten anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr des Attentats auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand.

Gespannt sein darf man auch auf Tobias Lindholms heuer für den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film nominierten "Krigen – A War", in dem der Däne die Sinnhaftigkeit europäischer Kriegseinsätze in Krisenherden und die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens aufwirft.

Der Tribute, der heuer der tschechischen Dokumentarfilmerin Helena Třeštíková gewidmet ist, wird mit ihrer neuen Langzeitstudie "Mallory" eröffnet, für die sie zehn Jahre die titelgebende Protagonistin bei ihrem Kampf gegen Bürokratie und Schicksal begleitete. Und auf die Programmsektion "Local Artists" stimmt schließlich "Mein Name ist, ich bin" ein, in dem sieben Asylwerbende, die derzeit in Neuhofen/Krems wohnen, ein unsentimentales Portrait des nicht immer einfachen Neuanfangs in einem fremden Land zeichnen.

Spannende Entdeckungen verspricht der Wettbewerb "European Fiction", in dem zehn Langfilmdebüts und ein zweiter Spielfilm um den mit 10.000 Euro dotierten Crossing Europe Award konkurrieren. Mit Filmen von Bulgarien über Deutschland und Frankreich bis Großbritannien und von Skandinavien über Belgien bis zur Schweiz ist die Auswahl gewohnt breit gestreut. Inhaltlich reicht die Bandbreite vom starken Teenagerdrama "Keeper", in dem Guillaume Senez aus der Sicht eines Jungen von einer Teenagerschwangerschaft erzählt, bis zum gesellschaftskritischen Katastrophenfilm "Heimatland".

Zehn Produktionen wurden für den Dokumentarfilmwettbewerb ausgewählt. Das derzeit alles dominierende Flüchtlingsthema fehlt hier mit "Les Sauteurs" und "O pio makris dromos" ebenso wenig wie der Blick auf die akteulle Lebenssrealität junger Menschen in Europa ("Europe, She Loves" und "Rotsa dedamitsa msubukia") und auf die Wunden der Sowjetzeit ("Birobidjan – Le nid est tombé dans les flammes" und "Bracia").

16 aktuelle Spielfilme aus ganz Europa versammelt die Sektion "European Panorama Fiction". Lionel Baiers stimmungsvolle Tragikomödie "La vanité", in der erstaunlich leichthändig das Thema Sterbehilfe diskutiert wird, kann man hier ebenso entdecken wie "Pesn Pesney", in dem Eva Neymann von einer unglücklichen Liebe in einem jüdischen Schtetl in der Ukraine zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt.

Mit Isabella Stever und Jan Krüger sind auch zwei frühere Crossing Europe-Teilnehmer bzw. Preisträger in dieser Programmschiene mit ihren neuen Filmen vertreten. Während Stever in "Das Wetter in geschlossenen Räumen", auf die Arbeit der Hilfs- und Non-Profit-Organisationen an Kriegsschauplätzen blickt, erzählt Krüger in "Die Geschwister", der in Linz seine Weltpremiere feiert, eine Dreiecksgeschichte.

Eigenwillige Filmkunst bieten Alexej German Jr., der in "Pod Elektricheskimi Oblakami - Under Electric Clouds" in sieben Episoden auf surreale Weise den Seelenzustand Russlands verdichtet und Lucile Hadzihalilovic, die in "Evolution" den Zuschauer in eine mysteriöse, nur von Frauen und Buben bevölkerte Inselkolonie entführt.

Bei den Dokumentarfilmen, die im "European Panorama Documentary" reicht die Bandbreite von Ben Hopkins Porträt der Metropole Istanbul ("Hasret") über Sergei Loznitsas Aufarbeitung des missglückten Putsches im August 1991, der Gorbatschow stürzen sollte ("Sobytie") bis zur Rekonstruktion der Ermittlungen der deutschen Polizei rund um einen Nagelbomben-Anschlag auf einen türkischen Frisiersalon in Köln 2004 ("Der Kuaför aus der Keupstraße").

Arbeitssituationen rückt wieder die Sektion "Arbeitswelten" ins Zentrum, während in der Programmschiene "European Communities – Dorfkommunen im Spiegel Europas", bei der Crossing Europe mit dem afo architekturforum oberösterreich kooperiert, wird mit drei Dokumentarfilmen und einem experimentellen Spielfilm Einblick in unterschiedlichste europäische Kleinkommunen geboten wird.

Mit acht Langfilmen und vier jeweils zweiteiligen Episoden der Miniserie "Manzelské" bietet Crossing Europe schließlich Einblick in das Schaffen der Dokumentarfilmerin Helena Třeštíková, der der heurige Tribute gewidmet ist. Die tschechische Regisseurin, die sich bei ihren Langzeitbeobachtungen, in deren Mittelpunkt wiederholt gesellschftliche Außenseiter stehen, der Tradition des Cinéma vérité verpflichtet zeigt, hält in Linz auch eine Masterclass.

Nicht fehlen dürfen bei Crossing Europe das regionale Filmschaffen, das in der Sektion "Local Artists" in 21 Programmen mit insgesamt 65 Filmen vorgestellt wird, sowie die vom Filmjournalisten Markus Keuschnigg kuratierte Sektion "Nachtsicht", die stets eine willkommene Abwechslung zum gesellschaftspolitischen Schwerpunkt des Festivals bietet.

Auch heuer hat Keuschnigg wieder vier Spielfilme und eine Mini-Serie ausgewählt, die einen Eindruck vom Reichtum und der Vielfalt des europäischen Horror- und Fantastischen Films vermitteln. Der Bogen spannt sich dabei vom knallbunten polnischen Retro-Disco-Horror-Musical "Córki Dancingu" bis zur Science-Fiction-Groteske "À la recherche de l´ultra-sex".

Crossing-Europe-Trailer 2016