Manuš heißt Mensch

Das Averklub Collective ist eine lose organisierte Gruppe ohne feste Struktur. Seinen Kern bilden mehrere Bewohner und Bewohnerinnen von Chanov, das als die größte Rom_nja-Siedlung in der Tschechischen Republik gilt.

Das Kollektiv wächst und schrumpft nach eigenem Ermessen und passt sich durch verschiedene Konstellationen von Künstler_innen, Theoretiker_innen und Aktivist_innen den Besonderheiten und Erfordernissen aktueller Projekte an. Die Aktivitäten des Averklub Collective sind stark von kultureller und aktivistischer, mit der künstlerischen Praxis verknüpfter Arbeit geprägt. Mit der Ausstellung "Manuš heißt Mensch" präsentiert die Kunsthalle Wien die jüngsten Recherchen und künstlerischen Arbeiten der Gruppe, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Generationen von Bewohner_innen der Chanov-Siedlung entstanden sind.

Die Ausstellung stellt eine Reihe von Fragen zur den Beziehung zwischen der Kunst und den materiellen Bedingungen ihrer Produktion und Präsentation sowie zur Art und Weise, in der grundlegende Narrative und Ursprungsgeschichten von Orten, Völkern und Nationen geschrieben werden.

"Manuš heißt Mensch" ist auch der Titel eines Buchs des kommunistischen Politikers und tschechoslowakischen Rom Vincent Danihel. Es enthält eine detaillierte Darstellung und Kritik der Regierungsmaßnahmen, die ergriffen wurden, um die Existenzbedingungen der Rom_nja in der sozialistischen Tschechoslowakei zu verbessern. Durch die Verwendung desselben Titels für die Ausstellung möchte das Averklub Collective die Aufmerksamkeit auf das lenken, was Menschen vereint, statt auf das, was sie trennt: "Wir möchten zeigen, dass es über die Vielfalt der Kulturen, Gender, Nationen usw. hinaus und jenseits davon noch eine andere Ebene der Zugehörigkeit gibt, die ausnahmslos allen zugänglich ist."

Indem sie ethnografische, dokumentarische und künstlerische Materialien nebeneinanderstellt, untersucht die Ausstellung Manuš heißt Mensch die Rolle der Kunst bei der Erzeugung kultureller Mythen, die Beziehung von Kunstobjekten zur Erinnerung und der Deutung der Geschichte sowie die Reichweite einer dezidiert nicht-elitären und aktivistischen Praxis innerhalb des privilegierten Ausstellungsraums des White Cube. Die Ausstellung befasst sich mit der Art und Weise, wie wir über Marginalisierung sprechen können, ohne in Klischees und Exotisierungen zu verfallen, und wie wir Unterdrückung im Alltag bekämpfen und uns selbst der Herausforderung stellen können, uns Dinge jenseits der pragmatischen Realpolitik des gegenwärtigen Zeitpunkts vorzustellen.

Wirtschaftliche Ungerechtigkeit, Stigmatisierung, negative Stereotypisierung und Rassismus gegen die Rom_nja sind in ganz Europa seit Jahrhunderten präsent, und die Behandlung der Rom_nja ist einer der größten weißen Flecken des zeitgenössischen europäischen Projekts. Zugleich wird, ungeachtet offizieller Erklärungen zur Inklusivität und zahlreicher humanitärer und Nicht-Regierungsprogramme in den meisten europäischen Ländern, die allgemeine sozioökonomische Lage der Rom_nja heruntergespielt und in ein Problem "kultureller" Andersartigkeit umdefiniert, während sich an den systemischen Ursachen ihrer extremen Armut und gesellschaftlichen Exklusion nichts ändert. Die Praxis des Averklub Collective beginnt mit der Einsicht, dass die Unterdrückung marginalisierter und enteigneter Völker auf strukturellen Bedingungen beruht, die durch die Verflechtung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren über lange Zeiträume hinweg erzeugt wurden — und nicht durch vereinzelte Fälle von Diskriminierung.

"Manuš heißt Mensch" verfolgt die Politik, mittels derer die Tschechoslowakische Sozialistische Republik die strukturellen Ursachen der Exklusion des Volks der Rom_nja in Angriff nahm, und verortet diese im umfassenderen historischen Kontext des 20. Jahrhunderts.

Die Auswahl historischer und zeitgenössischer Kunstwerke, die in der Ausstellung gezeigt wird, erkundet Möglichkeiten wie Unmöglichkeiten einer Kunstproduktion unter den Bedingungen materieller Knappheit sowie die Art und Weise, in der die Künstler_innen Themen wie Arbeit, Armut, Wohnen und Lebensumfeld, aber auch politische Organisation und Emanzipation behandeln und somit Gegenerzählungen zu ihrer fortdauernden Exotisierung als Rom*nja durch die Mainstreamkultur entwickeln.