Wiedereröffnung der Akademie der bildenden Künste Wien mit vier Ausstellungen

Die Akademie der bildenden Künste Wien ist nach umfassender Sanierung und Modernisierung an den Schillerplatz zurückgekehrt. Eröffnet wurde sie am 8. Oktober mit gleich vier Ausstellungen.

Zahlreiche der besonderen Schätze aus den historischen Sammlungen sind wieder am Schillerplatz. Die Bestände der historischen Kunstsammlungen der Akademie gehören zu den wichtigsten Österreichs und beinhalten zum Beispiel das berühmte "Weltgerichtstriptychon" (um 1450 – 1516) von Hieronymus Bosch aus der Gemäldegalerie, das "Bildnis eines 18-jährigen Jünglings" (1503) von Albrecht Dürer aus dem Kupferstichkabinett, oder kunstvolle Abgüsse von Skulpturen wie Michaelangelos "Pietá" (um 1499) in der Glyptothek.

Eine Einladung zum epistemischen Ungehorsam spricht das indische Künstler_innen- und Kurator_innentrio Raqs Media Collective aus. In der großen Eröffnungsausstellung "Hungry for Time" in der Gemäldegalerie werden nationale wie internationale zeitgenössische Positionen den historischen Beständen gegenübergestellt. Unter Einbeziehung des aktuellen Dekolonialismus-Diskurses in der Kunst und den Kulturwissenschaften und basierend auf der Expertise des Hauses eröffnet die Ausstellung die Möglichkeit der Neubetrachtung der drei Sammlungen aus einer externen Perspektive. Der "epistemische Ungehorsam", zu dem die Akademie gemeinsam mit Raqs Media Collective einlädt, ist eine Aufforderung sich der blinden Flecken im Blick auf die Geschichte bewusst zu werden. Das historische Wissen, das in den Sammlungen zu finden ist, ist nach tradierten Strukturen geordnet. Mit neuen Perspektiven darauf werden diese Strukturen sichtbar gemacht und aufgerüttelt.

In der Dialogausstellung zu "Hungry for Time" in der nebenan gelegenen wiedereröffneten Exhibit Galerie richten Studierende der Akademie unter dem Titel "Thicket of Ideas – Thicket of Times" ihre Blicke auf die historischen Arbeiten der Sammlungen des Hauses. Sie hinterfragen einem dekolonialen Bestreben folgend unser chronologisch-lineares Verständnis von Zeit und damit auch die Konstruktion von (Kunst-)Geschichte und die Bedingungen von Geschichtsschreibung.

Im "Exhibit Studio", ebenfalls am Schillerplatz verortet, erinnert die Ausstellung "Un Paradiso Amaro / Bitter Paradise" an das Vergessen der jüdischen Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries. Um 1900 schon international bekannt und erfolgreich, musste sie 1942 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen. Zu sehen sind eine Skulptur sowie Exponate aus dem Nachlass der Künstlerin sowie Arbeiten von Absolvent_innen der Akademie, die Ries’ Leben zum Ausgansgpunkt haben.

Das "Exhibit Eschenbachgasse" in der Eschenbachgasse 11 zeigt zur Eröffnung die Ausstellung "The Poiesis of Composting". Sie legt den Fokus auf die Gesten des "Kompostierens" und stellt künstlerische Positionen vor, die das "bereits Vorhandene" überdenken.

Die anlässlich der Wiedereröffnung präsentierten Ausstellungen sind Ausdruck eines Verständnisses von Ausstellen als künstlerischem Handlungsfeld. Exemplarisch stehen sie für die Richtung, in die sich das zeitgenössische Ausstellungswesen der Akademie auch in Zukunft entwickeln wird. Das ist einerseits eine stärkere Verknüpfung von universitärer Ausstellungspraxis und Lehre, die instituts- und fachbereichsübergreifend erfolgt sowie eine intensivierte Zusammenarbeit von zeitgenössischem Ausstellen und den Kunstsammlungen – wie es bereits die Dialogausstellung "Thicket of Ideas – Thicket of Times" charakterisiert. Andererseits sollen in Zukunft noch mehr Möglichkeiten für Studierende und Absolvent_innen geboten werden, ihre Werke zu präsentieren sowie eigene Ausstellungsprojekte umzusetzen – wie es "Un Paradiso Amaro / Bitter Paradise" und "The Poiesis of Composting" vor Augen führen.