Die Vielfalt der Interaktion zwischen Menschen und Falten

Falten im Sinne von Gestaltungsmittel spielen in der angewandten und bildenden Kunst seit Jahrtausenden eine Rolle, als natürliches und zeitliches Zeichen sind Falten Teil des menschlichen Körpers. Der Vielschichtigkeit dieses Phänomens spürt die gleichnamige MAK Ausstellung "Falten" nach: 90 Objekte, großteils aus der MAK Sammlung, rollen gestalterische, körperliche, philosophische und kulturelle Dimensionen von Falten multiperspektivisch aus Sicht der Design-, Kultur- und Ideengeschichte sowie der Kulturanthropologie auf. Die transregional und transmedial konzipierte Schau zeigt höchst heterogene Exponate – von Textilien und Papierarbeiten über Möbel bis hin zu Malereien – und changiert dabei zwischen zwei gegensätzlichen Themenfeldern.

Gestalterische Formen und Positionen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und aus der Gegenwart thematisieren im ersten Teil der Ausstellung die Falte in Kleidung, Papier oder Plastik und das Falten als gestalterische Strategie und Kulturtechnik.

Ornamentale Faltenröcke aus China repräsentieren gemeinsam mit feinen gefalteten Tüchern der Textilkünstlerinnen SUDŌ Reiko und Ursi Fürtler beispielhaft Falten als Designelemente im textilen Bereich. Vertreten ist auch der kürzlich verstorbene Modedesigner Issey Miyake, der mit "pleats please" Faltenkollektionen mit höchstem Wiedererkennungswert geschaffen hat. Historische Fotografien aus Persien aus dem späten 19. Jahrhundert, die modische Perserinnen in Faltenröcken zeigen, bezeugen einen der Schlüsselmomente der transkulturellen Herkunft europäischer Plisseeröcke und erweitern die thematische Dimension der Ausstellung um einen rezeptionshistorischen Hinweis.

Ein faltbarer Messing-Kerzenständer aus dem 19. Jahrhundert, chinesische "Nadel-Faden-Taschen" aus Papier mit einer Vielzahl von auffaltbaren Fächern und japanische Stellschirme zeigen unterschiedliche Zugänge, wie Falten neue Räume und Volumen erschließen.

Im zweiten Themenschwerpunkt der Ausstellung geht es um Falten in Bezug auf Körper, die physische Welt und die menschliche Wahrnehmung, also um Prozesse, die aus der Natur heraus entstehen. Falten sind ein ständiger Begleiter des menschlichen Körpers: Als biologische Masse durchlebt er diverse Stadien von Faltungszuständen und -prozessen, sowohl in den inneren Organen als auch auf der Haut. Unser Verhältnis zu Falten ist aber je nach kultureller Zugehörigkeit, Zeitraum und Geschlecht sehr divers. Diese anthropologische Dimension wird in der Ausstellung an historischen Masken aus dem 19. Jahrhundert und zeitgenössischen Masken aus dem 21. Jahrhundert deutlich. Chinesische physiognomische Studien aus Ostasien, die sich in historischen Ritual- und Festmasken manifestieren, werden 3D-gedruckten Masken aus Kunststoff − basierend auf eingescannten Gesichtern − gegenübergestellt.

Die Vielfalt der Interaktion zwischen Menschen und Falten verdeutlichen auch die Serie "Headquarters" (2021) der Künstlerin Judith Huemer, die die komplexen (Miss-)Verhältnisse zwischen dem Körper und seiner äußeren stofflichen Hülle erforscht, sowie die Arbeit "Venus von Wien" der Wiener Künstlerin Song Jing, die Erfahrungen und Emotionen nachspürt. Falten werden dabei als ein symbolischer Topos begriffen, in dem sich das allumfassende menschliche Seelenleben offenbart sowie gespeichert, verschleiert, verhandelt und schließlich verarbeitet wird.

Auch die japanische Künstlerin Aika Furukawa greift in ihren Arbeiten "Lost Colours" (2021) und "Configuration_30.8" (2018) die Entropie als Naturgesetz des Materiellen auf. Ihre zeitgenössische Position zeichnet ein Bild unserer heutigen Welt des Überflusses und der Unordnung und schafft einen ironischen Kontrast zur Grundidee der Literatenmalerei, die auf Harmonie zwischen Mensch, Himmel und Natur abzielt.

Falten
1.Februar bis 21. Mai 2023
Kuratorin: Mio Wakita-Elis, Kustodin MAK Sammlung Asien