Zweierlei Mönchsbart

11. April 2011 Kurt Bracharz
Bildteil

Im deutschen Sprachraum werden zwei verschiedene Pflanzen volkstümlich als "Mönchsbart" bezeichnet. Da beide salzhaltige Böden bevorzugen und aus beiden Salate bereitet werden, kommen auch in Gemüsekochbüchern gelegentlich Verwechslungen vor.

Die eine Pflanze ist Plantago coronopus L., der Hirschhorn-, Schlitz-, Schlitzblatt- oder Krähenfußwegerich. Er ist eine seit langem bekannte Heil- und Gemüsepflanze, schon Hieronymus Bock empfahl ihn in seinem Kräuterbuch von 1546 gegen Nieren- und Blasenbeschwerden, der deutsche Renaissancegelehrte Camerarius erwähnt ihn in "De plantis epitome ultissima" (1586). Das "herba coronopi vel Cornu cervini" galt als Heilmittel gegen Blutfluss, Diarrhöe und Lungenkrankheiten sowie gegen Tollwut. Als wohlschmeckender, wenn auch nicht mehr für heilkräftig angesehener Salat wurden die gezähnten Blätter dieses Mönchsbarts im 19. Jahrhundert vor allem in Frankreich und in der französischen Schweiz als "Corne de cerf" geschätzt, waren aber auch in Italien und in den Niederlanden bekannt.

Die andere Pflanze, Salsola soda L., heißt in Italien Barba di frate oder Barba dei frati, Roscano Agretto oder Liscari sativa. In Latium wird sie wohl wegen ihrer schlanken, eleganten Form als "Ballerina" bezeichnet. Der botanische Name spielt auf ihre einstige Verwendung zur Gewinnung von Soda ab, das zum Beispiel in Murano zur Glaserzeugung gebraucht wurde. Barba di frate sieht wie eine überdimensionale Schnittlauchpflanze aus. Einen Stammplatz in der Küche hat dieser auch Salz- oder Sodakraut genannte andere Mönchsbart vor allem in der Toskana, wo er als Wildpflanze gesammelt wird. Da er mittlerweile im Tessin und in Norditalien als Salatpflanze kultiviert wird, taucht er auch auf unseren Wochenmärkten meistens unter seinem italienischen Namen auf. Barba di frate wird in den Wintermonaten angebaut und kommt von März bis Mai auf den Markt. Dort wird er als "mazzo", also als kleiner Strauß, angeboten: ein Büschel Pflanzen samt Wurzeln ist da zu einem Sträußchen zusammengebunden. Die Pflanze ist nach ungefähr zwei Monaten erntereif, lässt man sie länger stehen, werden die Blätter zäh. Der Geschmack von frischem, jungem Mönchsbart ist säuerlich und ein wenig bitter, je nach Bodenbeschaffenheit kann man auch Salz herausspüren. Die Blätter enthalten Eisen, Kalzium und Vitamin A.Die allerersten, noch unter Folie gezogenen Exemplare schmecken naturgemäß nicht so delikat wie die etwas später geernteten.

Man kann Barba di frate als Salat, als Gemüse oder als Pesto verwenden. In jedem Fall schneidet man die Wurzeln weg, wäscht die Blätter sorgfältig und entfernt jene mit verdorbenen Spitzen. Für Salat und Pesto verwendet man Barba di frate roh (eventuell ganz kurz blanchiert). Gedünstet wird Mönchsbart in Olivenöl, und mit Zitrone, Salz und Pfeffer gewürzt. Wenn man Barba di frate mit Spaghetti mischen will, können auch Tomaten, Knoblauch, Sardellen etc. zugesetzt werden, der feine Meeresgeschmack geht dann freilich unter.