Zurich Art Prize 2022 geht an Kapwani Kiwanga

Die kanadisch-französische Künstlerin ist die 15. Gewinnerin der renommierten Auszeichnung. Das Museum Haus Konstruktiv hat 2007 gemeinsam mit der Zurich Insurance Group, Patronatspartner des Museums, den Zurich Art Prize ins Leben gerufen, der mittlerweile eine grosse internationale Ausstrahlungskraft besitzt.

Honoriert wird jährlich eine eigenständige künstlerische Position, die sich an den Schnittstellen zwischen dem kulturellen Erbe der konstruktiv-konkreten und konzeptuellen Kunst einerseits und gegenwärtigen Tendenzen andererseits bewegt.

Bevor sich Kapwani Kiwanga der Kunst verschrieb, studierte sie Anthropologie und vergleichende Religionswissenschaften in Kanada. Ihre Mitte der 2000er-Jahre aufgenommene künstlerische Praxis wurzelt denn auch in geistes- und sozialwissenschaftlichen Recherchetätigkeiten. Sie umfasst Skulpturen, Performances, Videos und installative Settings. Ihre Projekte führen Kiwanga in Archive, wobei sie ihren Blick auf Nebenschauplätze der Narrative zu unterrepräsentierten Geschichten richtet und sich insbesondere für Themen rund um historische und gegenwärtige Machtasymmetrien sowie für Wissensgenerierung interessiert. Daraus entstehen Werke, die sowohl durch ihre nach sozialgeschichtlichen Konnotationen ausgewählten Materialien – wie mit Perlen bestickte Textilien, Zuckerrohrpapier und Pflanzen – als auch durch ihre reduzierte Ästhetik und klare Formensprache bestechen.

Für ihr seit 2012 laufendes Projekt "Flowers for Africa" zum Beispiel durchsucht Kiwanga Archive nach Bildmaterial, das im Zusammenhang mit dem Weg afrikanischer Länder in die staatliche Unabhängigkeit entstand. Dabei gilt ihr Interesse den floralen Arrangements, die entsprechende diplomatische Treffen oder zeremonielle Feiern begleiten. Ausgehend von den historischen Aufnahmen beauftragt die Künstlerin Florist:innen, Blumengestecke auszuarbeiten, die später im Ausstellungsraum an den Wänden, auf Sockeln oder gar als freistehende Torbogen präsentiert werden. Während der Ausstellungsdauer welken diese, wodurch die Fragilität geschichtlicher Prozesse erlebbar wird. Dazu sagt Kiwanga: "Zunächst ist das Land enthusiastisch und voller Hoffnung für seine Zukunft als unabhängiger Staat und distanziert sich von seiner kolonialen Geschichte. Doch dieser Enthusiasmus schwindet allmählich angesichts der realen Gegebenheiten und Schwierigkeiten des Alltags, sei es in der Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft." Die Jury des Zurich Art Prize zeigte sich besonders begeistert von Kapwani Kiwangas Fähigkeit, ihre Recherchen zu gesellschaftlich relevanten Themen in ansprechende visuelle Aussagen zu übersetzen. Kiwangas Arbeiten bieten verschiedene Lesarten, über die sich die Betrachter:innen ihnen nähern können, sei dies aus materieller, phänomenologischer oder kunst- und kulturhistorischer Perspektive.

Kapwani Kiwanga (geb. 1978 in Kanada) lebt und arbeitet in Paris.