Zurich Art Prize 2015: Latifa Echakhch – Screen Shot

Mit Latifa Echakhch (geb. 1974 in El Khnansa, Marokko) wird die diesjährige Gewinnerin des "Zurich Art Prize" im Haus Konstruktiv gewürdigt. Die in enger Zusammenarbeit mit Zurich Insurance Group etablierte Auszeichnung wird 2015 zum achten Mal verliehen. Die Preissumme von CHF 80’000 fliesst in eine speziell für das Museum Haus Konstruktiv konzipierte Einzelausstellung.

Latifa Echakhch, die im Alter von drei Jahren nach Frankreich kam und heute in Martigny in der Schweiz lebt, hat die internationale Kunstwelt unter anderem mit ihrer Arbeit "Fantasia" an der Biennale von Venedig 2011 auf sich aufmerksam gemacht: Sie bestand aus einer Reihe schräg stehender weisser Fahnenmasten, die den Weg zum Padiglione Centrale säumten. Charakteristisch für die Werke Latifa Echakhchs ist der Einsatz einfacher, aber stets eindrücklicher Gesten und Materialien. Konzentriert und zielgenau richtet die Künstlerin ihr Augenmerk auf Fragen der individuellen und kulturellen Identität, auf persönliche und kollektive Geschichten und auf soziopolitische Veränderungen, die unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen. Unter dem Eindruck der aktuellen Flüchtlingswelle präsentierte sie auf der diesjährigen 14. Istanbul Biennale zwei Videofilme, die das Meer als Hoffnungsträger thematisieren.

Auch für die Konzeption ihrer Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv spielten die Bilder der Flüchtlingsdramen eine zentrale Rolle: Eine Reihe von Paravents sind mit in Tinte getauchten Kleidungsstücken behangen. Die menschenleeren Hüllen erinnern an nasse, auf der Flucht verloren gegangene Kleidung. Auf den Paravents hinterlassen sie dünne Rinnsale aus dunkler Farbe. Fliessende Tintenspuren tauchten bereits in Echakhchs Arbeit "À chaque stencil une révolution" (2007) auf, deren Titel auf ein Zitat Jassir Arafats über die revolutionär bewegten späten 1960er Jahre zurückgeht. Blaue, an der Wand befestigte Durchschlagblätter, wie sie damals häufig zur Verbreitung politischer Aufrufe verwendet wurden, waren von Echakhch mit einer Lösung behandelt worden, die die darin enthaltene Tinte zerfliessen liess – ähnlich mancher politischen Idee, die wie Tinte verrinnt und in Vergessenheit gerät.

Brückenschläge wie diese bestimmen die Werke Echakhchs. In einer weiteren neuen Arbeit für die Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv widmet sich die Künstlerin motivisch den in romanischen Volkstraditionen vorkommenden "Géants" und "Gigantes". Die bis zu sechs Meter hohen Figuren, meist Sinnbilder für König und Königin, werden bei Prozessionen und Festumzügen durch die Stadt getragen. Echakhch löst sie aus ihrem ursprünglichen Kontext und platziert sie im Raum. Ruhend werden sie zu einem Stillleben, zur «nature morte», und ihre durch die Riesengrösse symbolisierte Übermenschlichkeit wird revidiert.


Zurich Art Prize 2015: Latifa Echakhch – Screen Shot
29. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016