Zentrale Aspekte im Schaffen von Viktor Hufnagl

Viktor Hufnagl (1922 - 2007) war ein Wegbereiter des zeitgenössischen Schulbaus und ein typologisch erfindungsreicher Wohnbauarchitekt, der Raumkonzepte für möglichst vielfältige Lebensformen entwarf. Als baukultureller Aktivist und "Kommunikations und Diskussionsmensch" (Friedrich Achleitner) verstand er seinen Beruf aber auch dezidiert als gesellschaftspolitischen Auftrag.

Die Anfänge seines Schaffens fallen in die Nachkriegszeit, in der sich die Kritik am monofunktionalen Städtebau verschärft. Emphatisch plädiert Hufnagl für eine städtische Durchmischung, er ist überzeugt, dass der Wohnbau und der Schulbau zentrale Aufgaben einer humanistischen Architektur der Gegenwart und Zukunft sind. Nach ersten, kleineren Projekten im Salzkammergut, wo der Architekt nach seinem Studium in der Meisterschule Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste in Wien in Bad Ischl sein erstes Atelier eröffnet, übersiedelt er 1956 wieder nach Wien. Erste Erfolge stellen sich im ländlichen Schulbau ein, wo in den Hauptschulen in Strobl und Altmünster erstmals der "Hallenschulgedanke" auftaucht, der in Form von ganglosen Raumkompositionen mit offener Mitte den Nukleus aller Hufnagl-Schulen bildet.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Entwicklungen des europäischen und nordamerikanischen Schulbaus verfeinert Hufnagl bei der Schulanlage in Weiz die räumliche Konfiguration – etwa in der Optimierung der multifunktionalen Atrien und der Konzeption mobiler Trennwände. 1970 wird er gemeinsam mit Fritz G. Mayr im Rahmen des Forschungsauftrags "Vorfertigung im Schulbau" vom Bundesministerium für Bauten und Technik beauftragt, in Wörgl eine Modellschule zu bauen, und sie entwickeln ein räumlich gestaffeltes modulares System, das vielfältige Funktionen schlüssig verknüpft.

Aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen in Architektur und Städtebau begründet Viktor Hufnagl 1965 mit Friedrich Achleitner, Maria Biljan-Bilger, Sokratis Dimitriou, Wolfgang Gleissner, Friedrich Kurrent, Traude und Wolfgang Windbrechtinger die ÖGFA Österreichische Gesellschaft für Architektur. Mit der Ausstellung "Neue städtische Wohnformen" 1966/1967 gelingt es ihm gemeinsam mit Traude und Wolfgang Windbrechtinger "Begeisterung am schöpferischen Abenteuer von Versuchssiedlungen" zu wecken und architekturpolitische Reformen an zustoßen. Aus dieser Ausstellung, die übrigens 1969 in der Außenstelle des Österreichischen Bauzentrums in Innsbruck gezeigt wurde, resultiert der Auftrag für eine städtebauliche Studie und die Projektierung der Wohnhausanlage Am Schöpfwerk, ein 1981 fertiggestellter Gemeindebau mit einer Vielzahl an typologischen Varianten sowie einer breiten Palette an Erschließungstypen und Freiräumen. Bei der in städtischer Randlage situierten Siedlung Gerasdorfer Straße (1980 – 84) greift Hufnagl die Gartenstadtidee auf und entwirft einen in die Topografie gebetteten verdichteten Flachbau mit sechs Höfen, variierenden Baumbepflanzungen und vielfältigen Wohnungstypen. Im Wohnbau in der Zschokkegasse (1991 – 93) interpretiert er wiederum die klassische Wiener Pawlatsche und den Typus der Passage neu, die nicht nur die Funktion eines Wintergartens erfüllt, sondern auch Raum für geselliges Mit und Nebeneinander bietet.

Anhand dieser und weiterer exemplarischer Bauten sowie bisher unveröffentlichter Materialien aus dem Nachlass beleuchtet die von der ÖGFA anlässlich des 100. Geburtstags von Viktor Hufnagl zusammengestellte Ausstellung zentrale Aspekte seines Schaffens und bietet Einblicke in unbekannte Facetten seines Werkes. Darüber hinaus befasst sie sich mit dem kulturellen Umfeld des Architekten, der sowohl in seinem Sommeratelier im Salzkammergut, als auch in seinem Wiener Atelier einen regen Austausch mit Kollegen und Persönlichkeiten aus dem Kulturleben pflegte. Erstmals im Vorjahr im FJK3-Raum für aktuelle Kunst gezeigt und im aut um exemplarische Wohnbauten erweitert, richtet die Ausstellung mit Fotografien des bildendenden Künstlers Werner Feiersinger auch den Blick auf den gegenwärtigen Zustand von Hufnagls Bauten und macht deutlich, wie sehr diese sich bis heute in ihrer strukturellen Prägnanz und Alltagstauglichkeit bewähren.

Geometrien des Lebens
Materialien zu Viktor Hufnagl (1922 – 2007)**
8. März bis 22. Juni 2024