Willst du Cola, du Iwan?

Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus präsentieren Annett Gröschner und Arwed Messmer "Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer" als Buch und Ausstellung (6. August bis 3. Oktober 2011, Unter den Linden 40, 10117 Berlin). Über 300 Panoramen bilden den gesamten innerstädtischen Mauerverlauf auf Ostberliner Seite vollständig ab. Das gleichnamige Buch erscheint im Hatje Cantz Verlag (s.u.). Buch und Ausstellung zeigen die bisher unbekannte, andere Sicht, ohne die das Bild der Mauer nicht vollständig wäre.

Das Ausstellungs- und Buchprojekt zur frühen Berliner Mauer macht das Atmosphärische der Teilung nicht nur in Bildern, sondern auch durch deren Beschriftung erfahrbar. Es gab über die gesamte Mauerzeit eine Einweg-Kommunikation: aus dem Westen wurde gerufen, im Osten das Gesprochene protokolliert. Die Niederschriften hat Annett Gröschner verdichtet und verortet - ob Zwischenmenschliches ("Ist es bei euch auch so kalt wie bei uns?"), Hohn und Spott ("Keine Kohlen im Keller, keine Eier im Sack, das ist euer 20. Jahrestag.") oder Verlockungen ("Kommt doch rüber, wir haben schöne Frauen für euch. Einen Wagen bekommt ihr auch.").

Das Provisorische der frühen Berliner Mauer zeigt "Aus anderer Sicht" auch mit 70 Fotos von Wachtürmen. Die Türme wurden mit vorhandenem Material gebaut, von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Vorlieben. Einige erinnern an Jagd-Hochsitze, andere nehmen die Plattenbauweise des Wohnungsbauprogramms vorweg. Auf dem Sophienfriedhof an der Bernauer Straße diente ein Grabstein als Hocker für den Wachposten. Noch unheimlicher wirken die "Tatort"-Fotos aus den Akten der Grenzregimenter der DDR. Menschenleere Bilder, meist nachts aufgenommen, auf denen nur Gegenstände Geschichten andeuten, die wahrscheinlich schlecht ausgegangen sind: Seile, Leitern, ein in einer Mauerspalte zurück gelassenes Jackett, ein Perlonstrumpf, der sich im Stacheldraht verfangen hat.

Alle Bilder entstanden Mitte der Sechzigerjahre, als Grenztruppen der DDR den innerstädtischen Mauerverlauf über die ganze Länge von 43,7 km fotografisch dokumentierten, um auf den schlechten Zustand der aus unterschiedlichsten Materialien bestehenden Grenze zu Westberlin hinzuweisen. Die Filme wurden entwickelt und vergessen, bis Arwed Messmer, Fotograf aus dem Westen, und Annett Gröschner, Autorin aus dem Osten Deutschlands, die Negative 1995 bei Recherchen im Militärischen Zwischenarchiv entdeckten. Das aus rund 1.200 Einzelnegativen bestehende Konvolut hat Arwed Messmer digital zu fotografischen Panoramen zusammengefügt, die auf einer Länge von 200 Metern in der Ausstellung zu sehen sind.

Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer
Annett Gröschner und Arwed Messmer
6. August bis 3. Oktober 2011
täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr