Who knows the beginning and who knows the end

Blinky Palermo haftet die mythische Aura eines James Dean der Kunstwelt an. Das hängt mit seinem frühen Ableben 1977 auf der Malediven-Insel Kurumba zusammen, findet indes auch eine Entsprechung im künstlerischen Schaffen. Dieses entzieht sich traditionellen Kategorisierungen und kreist dennoch permanent um das klassische Thema der Farbe.

Der 1943 als Peter Schwarze in Leipzig geborene Blinky Palermo wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder Michael vom Ehepaar Erika und Wilhelm Heisterkamp adoptiert. 1952 zog die Familie nach Münster. Dort besuchte Palermo ab 1961 die Werkkunstschule und begann im folgenden Jahr sein Kunststudium an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er 1964 Schüler von Joseph Beuys wurde. Aus dieser Zeit stammt auch sein Künstlername: eigentlich ein Spitzname, der ihm, so die Legende, der Künstlerfreund Anatol Herzfeld verpasste, aufgrund seines beständig verpflasterten Gesichtes und seiner Kleidung, die durch verknautschten Hut, Lederjacke und dunkler Sonnenbrille an einen zwielichtigen italoamerikanischen Boxkampfmanager aus Philadelphia erinnerte, dessen Konterfei man in den Sportseiten einer Boulevardzeitung entdeckt hatte. Dem Künstler schien diese neue Identität zu gefallen.

Seiner Ernennung zum Meisterschüler durch Beuys 1966 folgte eine erste Ausstellung in der Münchener Galerie Friedrich. Sie war jedoch nur der Anfang einer Vielzahl weiterer Einzelausstellungen in namhaften Museen. Palermo freundete sich mit Künstlerkollegen wie Imi Knoebel, Imi Giese oder Gerhard Richter an. Von 1973 bis 1976 lebte in New York, kehrte jedoch bald nach Deutschland zurück, wo er sich erneut in Düsseldorf niederliess. Im Februar 1977 verstarb Blinky Palermo während einer Reise auf den Malediven an Herzversagen.

Die deutsche Erstveröffentlichung der "Gegenstandslosen Welt" von Kasimir Malewitsch (1878-1935) im Jahre 1962 führte über die Beschäftigung mit Malewitsch zu einem experimentellen Umgang mit den Möglichkeiten von Form und Farbe. Palermo überwand dabei das überlieferte Bildformat, welches er zu Farbobjekten ausformte oder direkt in den Raum übertrug. Sein innovatives Schaffen fand bereits zu Lebzeiten Anerkennung und gilt heute als eine der wegweisenden Positionen für die radikale Erweiterung des Tafelbildes seit den frühen Sechziger Jahren.

Als "hauchartig" und "porös" bezeichnete einst Joseph Beuys die Werke seines Meisterschülers Palermo und verglich sie mit der Anfälligkeit einer Kornblume gegenüber dem Licht. Die von Erich Franz konzipierte Ausstellung für Münster und St.Gallen zeigt Palermos Umgang mit der Farbe, die offen, durchlässig und flüchtig ist. "Palermos Werk hat Bezüge zur amerikanischen abstrakten Kunst mit ihrer klaren Flächenbildung und intensiven Farbigkeit, aber auch zur offenen Prozesshaftigkeit eines Joseph Beuys und ebenso zur mehrschichtigen Bildauffassung eines Gerhard Richter oder eines Imi Knoebel". Insbesondere zeigen viele Bildtafeln aus Palermos letztem Schaffensjahr (1976/1977) ein ungreifbares Aufleuchten der Farbe. Der Ausstellungstitel "Who knows the beginning and who knows the end" bezieht sich auf den Werktitel einer zweiteiligen Zeichnung aus dieser Zeit.

Nach der Ausstellung von Palermo im Kunstmuseum Winterthur, 1984, und der Präsentation der späten Werkgruppe "To the People of New York" in Basel, 1995, wird die St.Galler Ausstellung erst die dritte Präsentation des malerischen Schaffens von Palermo in der Schweiz sein. Sie vereint rund sechzig Arbeiten aus allen Schaffensperioden, in denen die offene, alle Eingrenzungen überschreitende Farbwirkung und die flüchtigen Qualitäten des Malerischen spürbar werden. Für die Wahrnehmung des Künstlers, gerade bei einer jüngeren Generation, wird die Ausstellung wichtig sein, um sich ein eigenes anschauliches Bild von Palermo und seinem innovativen Umgang mit Farbe formen zu können.

Who knows the beginning and who knows the end
28. Mai bis 25. September 2011