"Vor dem Morgen liegt die Nacht" von Claudia Breitsprecher

9. August 2013 admin
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Der Klappentext: Bei einer Theateraufführung begegnet Nina Althaus, 38jährige West-Berlinerin, unverhofft der mondänen Maria Conti wieder – einer langjährigen Vertrauten aus ihren Kindertagen, die mittlerweile die Achtzig überschritten hat. Maria ist in Begleitung ihrer Nichte, der erfolgreichen Ost-Berliner Schauspielerin Michelle Odebrecht. Nina und Michelle kommen sich behutsam näher. Doch der Weg zueinander erfordert die Aussöhnung mit der Vergangenheit, die von persönlichen Enttäuschungen und politischen Umbrüchen geprägt ist.

Meine Gedanken zu dem Buch: Es ist der zweite Roman, den ich von Claudia Breitsprecher las. "Vor dem Morgen liegt die Nacht" und vor eben jenem, ihrem Debütroman las ich ihre "Auszeit". Es war mir schier unmöglich, ohne Erwartungen diesen, bereits 2005 erschienenen Roman zu lesen, denn "Auszeit" hatte mich sehr berührt. Würde "Vor dem Morgen..." auch schon solch eine "reife" Leistung sein können?

In der Geschichte um Nina und Michelle geht es weniger um "Power" als viel mehr um ein stilles, langes Aushalten. Um Menschen, die mehr denken als sie sagen und zu selten sagen, was sie denken. Alle Protagonisten tragen ihre Probleme über Jahre durchs Leben, als gelte es, sie heil mit in den Tod zu nehmen. Sie hegen und pflegen ihren Groll, merken entweder niemals, oder recht spät, dass es sich ohne ihn leichter lebte.

Man mag solche Verhalten für unglaubwürdig halten, aber die Wahrheit wird eben allzu oft nicht geglaubt. Claudia Breitsprechers Figuren sind verwickelt in klebrige Erinnerungen der Geschehnisse ihrer Generation, der politischen Verhältnisse, ihrer unerfüllten Träume und Sehnsüchte. Sanft, und manche nur ein klein wenig, entwickeln sie sich im Laufe des Romans. Behutsam und geschickt lässt uns die Autorin einen Blick über die Berliner-Mauer werfen, ganz gleich, auf welcher Seite wir stehen, eine Mauer, die noch stand (steht), lange nachdem man sie abgerissen hat. Breitsprecher weckt Interesse an einer "Sache", die viele nur aus dem Geschichtsunterricht, im Zusammenhang mit Zahlen, Fakten und erhobenem Zeigefinger kennen.

Was mich ebenfalls sehr berührte ist, wie unspektakulär, sensibel und normal die Autorin die Liebe zwischen Nina und Michelle beschreibt. Es ist das Normalste der Welt, dass zwei Menschen sich lieben. Dass beide dem gleichem Geschlecht angehören spielt überhaupt keine Rolle. Weder verklärt noch exzessiv, nicht peinlich oder anstößig, sondern wunderbar normal empfand ich diese Beziehung. Dass sich mit hemmungslosen, pikanten, schlüpfrigen Darstellungen mehr Geld verdienen ließe, ist der Autorin zweifelsohne bewußt, doch die Tatsache nutzt Breitsprecher nicht, um etwa die Verkaufszahlen zu steigern.

Ach, es gibt soviel Schrott auf dem Buchmarkt, auch von sehr bekannten Autoren. Weshalb solche Werke wie Claudia Breitsprechers "Vor dem Morgen liegt die Nacht", so wenige kennen, ist und bleibt mir schleierhaft. Ich freue mich, dass es jenen Augenblick in der Buchhandlung gab, in dem mir das Buch durch das wirklich schöne Umschlag-Foto auffiel, und der Name Claudia Breitsprecher mir ein Lesevergnügen garantierte. Auch wenn es ihr erster Roman ist, ist er dennoch eine reife Leistung!

"Manchmal liegt alles Sein in einem einzigen Augenblick, in einem blühenden Garten außerhalb der Zeit..." (aus "Vor dem Morgen liegt die Nacht")

Vor dem Morgen liegt die Nacht
Verlag Krug und Schadenberg
Berlin, 2005
300 S, EUR 19,90
ISBN-10:3-930041-50-2
ISBN-13: 978-3-930041-50-3