Von einem der auszog, ein Walzerkönig zu werden

2. Juni 2010 Rosemarie Schmitt
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Als der Fünfzehnjährige Kopenhagen endlich erreichte, hatte es sich ausgewalzert. Doch so schnell war der junge Jacob nicht bereit einzusehen, daß die große Zeit des Walzers dem Ende zutanzte. Er hielt an seinem Vorhaben fest und komponierte Walzer und Walzer und noch mehr Walzer. Alles Walzer!

Mit 21 veröffentlichte er seinen ersten Dreivierteltakter. Es war das Jahr 1900, das Jahr in dem Puccini seine "Tosca" komponierte, und Sibelius die finnische symphonische Dichtung "Finlandia". Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal schrieben sich Briefe, und Kurt Weill wurde geboren. Aus den USA schwappte ein Tanz über den Teich, der sich "Cake-walk" nannte, und Jacob blieb Jacob und unerkannt. Welchen Namen er sich auch gab, ob Maurice Ribot oder Leon Bonnard, seine Kompositionen gelangten nicht zu dem so sehr erhofften Erfolg. Und dabei war Jacob Gade durchaus sehr begabt. Doch Begabung alleine...

Ein wahres Schmuckstück, einen wunderbaren Eindruck von dem Komponisten Gade und seiner Zeit liefert uns hier eine Einspielung des Naxos-Labels "Dacapo". Der Pianist des Jahrgangs 1980 Christian Westergaard nimmt uns mit in ein Kino des Jahres 1926. Er spielt für uns ein paar Walzer Gades, Kinomusik und auch Tangos.

Tango? Gade? Läutet es da etwa bei Ihnen? Und es läutet ganz zu Recht! Denn ein einziges Werk, eine einzige Komposition, von so vielen, machte Jacob Gade am Ende doch noch berühmt und erfolgreich. Aber ein Walzer, nein, ein Walzer war es nicht. Es mag indes sein, daß der feine, wohlerzogene und anständige so vom Erfolg verwöhnte Walzer gehörig eifersüchtig gewesen ist auf den großen Erfolg des beeindruckenden und ständig unanständigen "Tango Jalousie". Und seit dieser Zeit, es war im Jahre 1925, und Gade war bereits 46 Jahre, glaubt fast jedermann, Jacob Gade habe sein Leben lang nichts anderes gewollt und getan als Tangos zu komponieren.

Diese Aufnahme von Dacapo ist ein mutiges, schon längst überfälliges Unterfangen, eine CD zu veröffentlichen, die ausschließlich Kompositionen von Jacob Gade enthält, und zwar ohne den Tango Jalousie! Ganz ehrlich? Wäre er auch auf dieser CD, enttäuscht wäre ich nicht. Denn er ist wahrhaftig wunderbar, dieser Tango! Und doch grenzt es an eine Sünde, diesen begabten Komponisten nur auf dieses eine Werk zu reduzieren. Auf der Suche nach Veröffentlichungen von Gade, fand ich selbst im "Bielefelder Klassik Katalog" (dem Nachschlagewerk für Klassik-Tonträger) 18 verschiedene Einspielungen, auf denen der "Tango Jalousie" unter anderem zu hören ist. Und eine einzige weitere CD mit Gades Walzer "Lykkeland". Das wars!

Wie schön, daß Naxos eine Lanze bricht für einige unbekannte, vernachlässigte Kompositionen Jacob Gades! Dafür mindestens zehn ClassiCüsse von mir! Und für den Mann am Klavier, da gibt’s vier, da gibt’s vier...! Das sehr informative Booklet, insbesondere interessant für jene, welche Jacob Gade bisher nicht kennen, verdient ein dickes Lob!
Noch weitere zehn ClassiCüsse für denjenigen, der auszog ein Walzerkönig zu werden, um als Tangokönig sein Zuhause zu finden.
Haben Sie viel Freude an dieser Musik!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt