Voller Leben, mit allem was dazugehört!

24. Juli 2013 Rosemarie Schmitt
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Francesco Provenzale ist jener Neapolitaner, der im Jahre 1624 geboren wurde und überwiegend Kirchenmusik komponierte. Zu seinem wahrscheinlichen und meinem sicheren Vergnügen, schrieb er jedoch auch Opern. 8 an der Zahl seien es gewesen, sagt man, 2 davon seien überliefert und "La Stellidaura vendicante" wurde, Alessandro De Marchi sei Dank, ausgegraben, aufbereitet, aufgeführt und aufgenommen.

De Marchi, der Dirigent und künstlerische Leiter Innsbrucks (nein, nicht ganz Innsbrucks, sondern der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik), ist bekannt für seine Interpretationen der Musik des Barock, und für ihn ist Francesco Provenzale der "Monteverdi des Südens".

Ich bin sicher, daß "Stellidaura" dem Komponisten Provenzale viel Vergnügen bereitete. Damit meine ich im Besonderen die Stellidaura der ersten Stunden. Ihr Name war Ciulla De Caro, sie hatte eine herausragende Stimme, sah fantastisch aus, und setzte dies gewinnbringend ein. Sie war sehr be- und geliebt, zum Beispiel vom spanischen Vizekönig und gleichzeitig von dessen Schwager. Es herrschte reger Betrieb, reger Opernbetrieb, den man seinerzeit als "subventioniertes Bordell" bezeichnete. Das dürfte der Diva der Kurtisanen, Ciulla De Caro, ziemlich schnuppe gewesen sein, Hauptsache sie bekam was sie wollte, wie zum Beispiel die Titelrolle der Stellidaura.

Das Libretto für Francesco Provenzales "La Stellidaura vendicante" stammt aus der Feder des Dichters und Juristen Andrea Perrucci. Entweder, so dachte ich, dieses Libretto schrieb ein alter, etwas Verrückter (weil schon viel erlebt) oder aber ein junger, sehr Lebenshungriger (weil noch nicht viel erlebt). Die zweite Vermutung erwies sich als zutreffend, denn Perrucci war 23 als er das Libretto schrieb. Es ist eine sehr verworrene Geschichte, die uns da aufgetischt wird, und eine, in der vieles mißlingt, wie etwa ein Mordanschlag (weil nur in den Arm getroffen), die Zustellung eines Liebesbriefes (weil dem Falschen überbracht), ein weiterer Mordanschlag, eine Hinrichtung (weil Schlafmittel statt Gift), eine Heirat (weil Bruder und Schwester, was aber nicht tragisch ist, da sie ja einen anderen liebt!).

Ich freue mich über Neues, auch wenn es 339 Jahre alt ist! Und über diese Oper freue ich mich ganz besonders, denn sie ist erfrischend facettenreich, beinhaltet Elemente der klassischen Tragödie mit Einflüssen aus der Commedia dell"arte und, was mir an "La Stellidaura vendicante" am besten gefällt, wunderbar mitreißende Tanzrhythmen ("Nun haiu fattu pocu" ist ein solcher Tanzschatz!). Außerdem durfte in der frühen Oper gerne mal gesprochen werden, auch auf der Bühne, was in diesem Fall Bierernstigkeit nimmt und Leichtigkeit gibt.

Was Alessandro De Marchi dieser Oper an Leben, Leidenschaft und Leichtigkeit gegeben hat und wieviel Temperament er aus dieser alten Partitur hervorzauberte ist beeindruckend! Mit seinem Barockorchester Academia Montis Regalis und Solisten wie Carlo Allemano, Adrian Strooper, Jennifer Rivera präsentiert De Marchi eine Oper voller Leben, mit allem was dazugehört!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt

Francesco Provenzale (1624–1704)
La Stellidaura vendicante
2 CD / 88883703852
DHM / SONY