Verschwommene Zufluchtsorte von Uroš Weinberger

Der 1975 im slowenischen Trbovlje geborene Künstler Uroš Weinberger setzt sich seit Jahren mit der konstanten Reizüberflutung auseinander, die durch die Bilderflut der Print- und digitalen Medien verursacht wird. Genauer gesagt, schöpft er sein gesamtes Bildvokabular daraus. Weinberger, der es perfekt beherrscht, zwischen den Zeilen zu lesen, hinterfragt Nachrichten stets kritisch und reagiert feinsinnig auf aktuelle Bilder aus dem Internet, den sozialen Medien, Fernsehen, Zeitung oder Film. Der Künstler löst die Bildinhalte aus ihrem eigentlichen Kontext, bevor er sie collagenartig in neuartige Bezugsrahmen setzt, die inhaltlich oft als warnend, gar mahnend interpretiert werden können. In ihrer neuen Ausstellung präsentiert die Feldkircher Galerie Sechzig unter dem Titel „Blurred Havens“ (Verschwommene Zufluchtsorte) eine Reihe neuer Werke des slowenischen Künstlers, die einen guten Einblick in dessen schwarze utopischen Vorstellungen bieten.

In den teils dystopischen, teils Science-Fiction-mässig anmutenden Werken Weinbergers werden Gegenwart und Zukunft in spannende visuelle Dialoge gesetzt. Klar verfügt der Künstler, der an der Akademie der feinen Künste und Design in Ljubljana studiert hat, nicht über seherische Gaben, nichtsdestotrotz erweisen sich seine Werke oft als verblüffend weitblickend.

Zentrales Thema seiner neuesten Werke ist mitunter der technische Fortschritt, der bei Weinberger weniger als eine Errungenschaft, als eher als langsamer Selbstzerstörungsprozess der Menschheit behandelt wird. Es ist nur etwa 200 Jahre her, dass der Mensch im Zuge der Industrialisierung einen Wandel in Gang setzte, den die Natur nur noch schwer und vermutlich auch nicht mehr lange verkraften kann. Die katastrophalen, vom Menschen verursachten weltweiten Klima- und Umweltveränderungen rufen die Abhängigkeit der Species Mensch vom Planet Erde, der zwar
einen immens großen aber keinen grenzenlosen Rohstoffreichtum bietet, ins Bewusstsein. Die in Weinbergers Gemälden dargestellten Landschaften wirken verlassen beziehungsweise unbewohnt, zum Teil zerstört und ausgebeutet. Durch die aufgelösten Konturen der Formen, sowie die äußerst intensive, leuchtende Farbgebung und Helligkeit der Gemälde, wird der Eindruck einer toxischen Stimmung, einer verschmutzten Luft und zerstörten Umwelt verstärkt.

Für viele scheint es bereits jetzt äußerst unwahrscheinlich, dass der Mensch in Zukunft nur auf einem oder weiterhin auf diesem Planeten leben wird. Das Kolonisieren anderer Planeten, insbesondere des Mars, einem eigentlich für unsere Landwirtschaft ungeeigneten Boden, ist nicht nur seit längerem Gegenstand der Forschung, sondern auch Gegenstand in Weinbergers Bildwelt. In diesem Zusammenhang beschäftigt den Künstler insbesondere die künftige Evolution der menschlichen Spezies, sowie deren neuartigen Lebensbedingungen. Die darauf anspielenden Bildräume Weinbergers werden oft von Raumanzügen tragenden, Astronauten-ähnlichen Wesen besiedelt, deren Aussehen unerkennbar und deren Handlung wenig nachvollziehbar ist.

Die Virtual Reality ist gewissermaßen ein weiteres Universum, mit welchem sich Weinberger in seinen jüngsten Werken beschäftigt. Dafür greift der Künstler mitunter auf Techniken aus der Op-Art zurück, um irritierende optische Täuschungen oder den verwirrenden Eindruck von Bewegung und Dreidimensionalität zu erzeugen. Das Weinberger’ische Formenvokabular kann zudem an, aus vielen kleinen Pixeln bestehende, computererzeugte Bilder oder in einigen Arbeiten auch an eine pointillistische beziehungsweise divisionistische Bildsprache erinnern. In einem solchen Fall würde sich das aus vielen kleinen verschiedenfarbigen Punkten beziehungsweise kurzen Strichen zusammengesetzte Bild dem Betrachter erst ab einer bestimmten Distanz erschließen.

Weinberger warnt mit seinen Gemälden vor einer allmählichen Verschmelzung der realen und virtuellen Welt beziehungsweise von Mensch und Maschine, was in einem totalen Kontrollverlust enden könnte. Die ständige Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz versteht Weinberger weniger als Schritt nach vorne, sondern mehr als ernstzunehmende Gefahr für die Gesellschaft, zunehmend passiver, manipulierbarer, fauler und schlussendlich sogar unbrauchbar zu werden.
Demnach könnte gesagt werden, dass Weinbergers Gemälde gewissermaßen Monitoren und seine Bildausschnitte Film-Stills ähneln, die den Betrachtern kurze Ausschnitte einer möglichen Zukunft zeigen beziehungsweise vor dieser warnen. Die dargestellten Szenarien wirken verschwommen; Ort, Zeit und Handlung sind meist unklar. Der Ausstellungstitel „Blurred Havens“ soll auf diese heute noch völlig unscharfen, verschwommenen Bilder von künftigen Zufluchtsorten und fruchtbaren Oasen der nachfolgenden menschlichen Spezies anspielen. Wie diese tatsächlich aussehen werden, bleibt trotz der Weinbergerischen Visionen offen und heute unbeantwortbar.

Uroš Weinberger: Blurred Havens
Galerie Sechzig, Feldkirch
17.6.-5.8.2023
Vernissage: 17.6., 19.00 Uhr
Do u. Fr 16-19, Sa 12-16
www.galeriesechzig.com