Verknüpfungen, Verkettungen und Verquickungen im Mumok

Die an der Ausstellung beteiligten Künstler:innen treten in Dialog mit Werken der Mumok Sammlung sowie mit Objekten aus den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien. Die Kombination aus eigenen Werken und Museumsstücken rückt Verfahren, die zu Mischformen führen, als künstlerische wie auch als gesellschaftlich und politisch wirksame Strategie in den Vordergrund.

"Mixed up with others before we even begin" richtet den Blick auf geschichtlichkulturelle Prozesse des Vermischens, um nicht im Immergleichen der Monokultur stecken zu bleiben und um allerorts zirkulierenden Bildern der Infektion und Kontamination etwas Positives entgegen zu halten. Momente der freundschaftlichen Begegnung und des lustvollen Zusammenschlusses sind dabei ebenso gemeint, wie jene des spannungsreichen Aufeinanderprallens von Gegensätzen.

Im Spannungsfeld aus lokalen Traditionen im globalen Zusammenhang bewegt sich die in Uganda aufgewachsene Leilah Babirye, wenn sie in ihren Skulpturen traditionelles Kunstschaffen aus Afrika mit der westlichen Moderne konfrontiert. In diesem Dialog hebelt sie Mechanismen der Exklusion auf beiden Seiten aus. Indem sie Werke der klassischen Moderne aus der mumok Sammlung in ihre queere Armee der Liebenden integriert, eignet sie sich den exotisierenden Blick auf afrikanische Bildwerke an, der Anfang des 20. Jahrhunderts in avancierten europäischen Kunstkreisen in Mode war.

Die in der Türkei aufgewachsene Nilbar Güreş setzt sich in ihrer Arbeit mit den persönlichen und gesellschaftlichen Beschränkungen auseinander, die durch Heteronormativität hervorgebracht werden und die sich in den biologischen und sozialen Kategorien von Frau und Mann äußern. In einer eigens für die Ausstellung entwickelten Skulptur, einer Art Baum der Erkenntnis, führt sie humorvoll vor, wie zentral in diesem Zusammenhang die Frage nach sexueller Orientierung oder Vorliebe und nach dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist.

Es sind nicht notwendigerweise die Grenzziehungen zwischen den Geschlechtern, die den in Peru aufgewachsenen Nicolás Lamas beschäftigen. Vielmehr sind es die Schnittstellen und Bruchlinien zwischen Kunst, Wissenschaft, Technologie und Alltagskultur. Lamas arbeitet mit einem Fundus teils vorgefundener, teils selbst angefertigter Objekte und Bilder, die er zu immer neuen Arrangements kombiniert. Seine Werke treffen in der Ausstellung auf Gegenstände aus dem Naturhistorischen Museum Wien und lassen dabei die erstarrten Kategorien von Kunst und Wissenschaft porös werden.

Wenn die in Mexiko aufgewachsene Mariana Castillo Deball über so Unterschiedliches wie die vorspanische Geschichte ihres Herkunftslandes, über mathematische Modelle oder über Fabeln, Mythen und sonstige Literaturformen arbeitet, bilden Gegenstände stets das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Diese "Nicht-Menschlichen“, wie sie die Dinge nennt, befragt sie darüber, was sie über die Welt zu sagen haben – eine Welt, die wir Menschen um sie herum konstruieren, die wir manipulieren, die wir definieren und deren Gegenstände wir auf unterschiedliche Weise gebrauchen.

Das in Berlin ansässige Kollektiv Slavs and Tatars thematisiert und praktiziert in seinem Werk Mehrsprachigkeit. Indem es seine künstlerische Praxis den gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen des Gebiets "östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer" widmet, dekonstruiert es Kultur als etwas, das an einen Nationalstaat, eine Religion oder eine Sprache geknüpft ist. Synkretismus wird hier zum Prinzip. In der Ausstellung bringen Slavs and Tatars eigene, auf Sprache basierende Arbeiten mit Werken aus der Sammlung zusammen, die sich mit Körperteilen als affektive, sinnliche Seite der Sprache auseinandersetzen.

Die in Rumänen und der Slowakei aufgewachsenen Künstlerinnen Anetta Mona Chişa und Lucia Tkáčová zeichnen unter anderem für die Ausstellungsarchitektur von "Mixed up with others before we even begin" verantwortlich. Für die vorhergehende Ausstellung "Kollaborationen" entworfen, dienen die Ruinen dieses Displays als konzeptuelle wie räumliche Basis der aktuellen Schau. Zusätzlich zeigt das Duo eine ortsspezifische Intervention, die sich einem Mycel gleich in den Ausstellungsräumen zu entwickeln beginnt. Dies setzt sich bis zu dem Punkt fort, an dem der Pilz den Namen des Museums auf der Fassade des markanten schwarzen Gebäudes verändert: "Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien" wird zu "let fungi guru wisdom meet minds turn us new" und lässt interpretativen Spielraum zu.

Mixed up with others before we even begin
Kuratiert von Franz Thalmair
Bis 10. April 2023

Teilnehmende Künstler:innen: Leilah Babirye, Mariana Castillo Deball, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Nilbar Güreş, Nicolás Lamas, Slavs and Tatars – mit Werken aus der mumok Sammlung sowie mit Objekten aus den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien