Unterirdisch – Das Spektakel des Unsichtbaren

Unvorstellbar, wie unser Leben wäre ohne all die unterirdischen Bahnhöfe und Kinosäle, ohne die Tunnels, Wasserreservoirs und Leitungsrohre. Diesen von Menschen geschaffenen Räumen im Untergrund nimmt sich mit "Unterirdisch – Das Spektakel des Unsichtbaren" erstmals eine grosse Ausstellung in der Schweiz an. Das Thema ist hierzulande besonders aktuell, hat sich das Volumen aller Tunnel- und Stollenbauten in der kurzen Zeit seit der Jahrtausendwende doch praktisch verdoppelt. Nicht zuletzt mit den Alpenbasis-Tunnels sowie der Durchmesserlinie in Zürich. Doch warum bauen wir vermehrt im Untergrund?

Die unterirdische Wirklichkeit bewegt sich im Spannungsfeld von Möglichkeit, Notwendigkeit und Wunschvorstellung. Für manche Bauwerke wird der Untergrund aus pragmatischen Gründen gewählt, um zusätzlichen Platz zu schaffen – etwa für Parkhäuser oder für all die Lebensmittelab-teilungen von Warenhäusern. Andere Anlagen befinden sich notwendigerweise unter dem Boden, weil sie dort geschützter oder diskreter sind. Dies gilt für Räume der Religion oder der Forschung ebenso wie für den Bundesratsbunker, der so geheim ist, dass es ihn offiziell gar nicht gibt. Die Underground- oder Independent-Kultur hingegen erobert sich leere Räume als Orte der Utopie, an denen die Freiheit grenzenlos scheint.

Das Potenzial von unbenutzten Räumen unter dem Boden haben aber nicht nur Kellerclubs, -kinos und -theater erkannt, sondern auch die etablierte Kultur oder Betreiber von Datenspeichern. Wesentlich bei solchen Umnutzungen ist der Faktor Zeit. Denn das immer äusserst solide gebaute Unterirdische überdauert meist das Oberirdische.

Neben den Beweggründen für den Bau im Untergrund nimmt die Ausstellung auch die Gestal-tung des Untergrunds in den Blick und fragt nach, wie mit dem Einsatz von Raum, Material, Farbe und Licht spezifische Orte entstehen. So verschieden unterirdische Bauten auch gestaltet sind, etwas ist ihnen allen gemeinsam: Es fehlt ihnen eine äussere Erscheinung. Die Bauwerke mögen klein oder gross sein, es sind nie richtige Häuser. Nur die Portalbauten am Übergang zwischen ober- und unterirdisch können eine architektonische Form erhalten und so auf das Darunterliegende hinweisen.

Angesichts der grossen Bedeutung des Untergrunds haben die visuellen Medien Verfahren ent-wickelt, um das Unsichtbare nachvollziehbar zu machen. Zu einem Meilenstein in der Geschichte des Sichtbarmachens wurde der Londoner U-Bahn-Plan von 1933: er stellte das Verkehrs-Netzwerk als System dar und betonte die Umsteigemöglichkeiten von einer U-Bahn-Linie zur anderen. Dieses Plan-Design hat den Nachteil, dass es die reale Geografie stark verzerrt. Aber seine Vorteile für die Reisenden sind markant und so folgten ihm zahlreiche andere Verkehrsbetriebe.

Auf existenzielle Art beschäftigt der Untergrund jene Menschen, welche einen wesentlichen Teil des Lebens unter Tage verbringen, weil sie dort arbeiten, oder weil sie dort Obdach finden. Im Gegensatz dazu verfolgen die Macher von Spielfilmen ihre eigenen, filmspezifischen Interessen und präsentieren Inszenierungen, welche sich weniger auf die Alltagserfahrung und mehr auf die Angstlust des Publikums beziehen. Ihre Erzählungen, ihr Drama bauen sie auf der Enge, der Dunkelheit, dem Labyrinthischen oder dem Unheimlichen auf, welche dem Untergrund gerne zugeordnet werden.

In sieben thematischen Räumen, deren szenografische Gestaltung vom Untergrund inspiriert ist, präsentiert die Ausstellung anhand von Modellen und teils eigens erarbeiteten Fotos, Videos und Grafiken bedeutende nationale und internationale Bauwerke aus der Gegenwart. Am Beispiel von Zürich wird zudem die hohe Dichte der unterirdischen Nutzung einer heutigen Stadt aufgezeigt. So wird das Unterirdische als eigenständiger Lebensraum sichtbar, welcher unsere Städte und Landschaften zukünftig noch viel mehr prägen dürfte, als dies heute schon der Fall ist.


Unterirdisch
Das Spektakel des Unsichtbaren
4. Juli bis 28. September 2014