Und wenn er nicht gestorben wär ...

30. Mai 2018 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Was würde Sergei Rachmaninov seinen Komponistenkollegen sagen? Und wie? Die Sprache der Komponisten ist die Musik. Vielleicht waren es jene Fragen und Gedanken, die Anton Batagovs Fantasie umhergetrieben und er sich diesem Projekt intensiv widmete. Anton Batagov, der 52-jährige russische Komponist und Pianist, der ebenso wie Rachmaninov das Moskauer Konservatorium besuchte. Mich beschäftigt nun nebenher die Frage, ob beide dort gut aufgehoben waren. Denn bedeutet nicht konservativ zu sein, an traditionellen überlieferten gesellschaftlichen Strukturen festzuhalten und sich dem Modernen zu veschließen? Denn dies trifft auf beide nicht zu.

Sei’s drum, zurück zu der Frage. Wie würde es also klingen, wenn Sergei Rachmaninov nicht gestorben wäre und heute "musikalische Briefe" an Musiker aus allen Jahrhunderten komponieren würde? Die Antwort, besser geschrieben eine der Möglichkeiten, könnte in den Aufnahmen Anton Bagatos "Selected Letters of Sergei Rachmaninoff" zu finden sein. (Audio CD / 20. April 2018/ Label: Melodiya / Naxos Deutschland Musik & Video Vertrieb)

Und so gibt es auf diesem Album einen "musikalischen Brief an Paganini" ebenso, wie einen "musikalischen Brief an Philip Glass" (...für den Batagov als der bedeutendste Interpret gilt), es gibt aber auch einen Brief an Brian Eno" und einen an Arvo Pärt", usw. Soll heißen: Batagov komponierte im Stil von Rachmaninov, der sich dem Stil der genannten Musiker annähert.

Der längste jener musikalischen Briefe (12:36) ist an Arvo Pärt adressiert. Es scheint, als erzähle Rachmaninov von einem Mädchen, mit kurzem Haar, das mit einer Jeans-Latzhose und einem Shirt bekleidet, barfuß hunderten von Seifenblasen nachhüpft und jene sanft und klar zerspringen lässt. Sanft, als sei es eine Slow-Motion-Aufnahme oder Slow-Emotion? Nun, ich gestehe, das sind eigens meine Assoziationen zu dieser Musik! Wessen auch sonst?
Was mich verwirrt, ist, dass Batagov den gleichen "Brief" an Niccolo Paganini und an Wim Mertens schickt. Paganini starb bereits im Jahre 1840, während Mertens 1953 geboren wurde und sich noch des Lebens erfreut (hoffe und wünsche ich!). Eine bemerkenswerte und sich lohnende Verwirrung, wie ich finde!

Die Post an Peter Gabriel, der als Frontmann und Gründungsmitglied der damaligen Progressive-Rock-Band Genesis bekannt wurde, gefällt mir auch ausgesprochen gut! Ach, was sag ich?! Es gibt nicht einen Titel auf dieser CD, der mich nicht anspricht und mir nichts erzählt. Es ist eine der Aufnahmen, die ich sicherlich immer mal wieder hören werde.
Batagov komponierte und schrieb mit spitzer, metallener Feder, indes sanfte Töne, signifikant und puristisch. Hier kann minimalistisch gechillt werden, sage ich Euch, Ihr jungen Musikhörer des 21. Jahrhunderts, die Ihr glaubt mit Klassik nichts anfangen zu können! Diese Klassik fängt mit Euch etwas an! Ich sage nur: diese Musik tut was für Euch!
Die Liebhaber der Musik Rachmaninows, und die Batagov-Fans (von denen es viele gibt) brauchen dieses Album sowieso.

Dieser Brief wurde für Sie und Euch geschrieben

von Herzen und von Rosemarie Schmitt