Und doch war es sehr schön!

16. März 2011 Rosemarie Schmitt
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Wäre "das Letzte" doch stets von solcher Qualität! Ich spreche hier nicht nur von der letzten, sondern auch von der einzigen Fernsehproduktion, die es von Reinhard Goebels "Musica Antiqua Köln" gibt. Nach mehr als 30 Jahren löste Goebel sich von dieser, seiner Aufgabe als Gründer und Kopf von "Musica Antiqua Köln", drei Tage nach dieser Aufnahme. Als nutzte er die "Gunst der Fuge" für seinen Abschied.

Auf einer ehemaligen Nato-Basis zwischen Düsseldorf und Neuss wurde nach den Plänen des weltbekannten (ich kannte ihn bisher nicht, doch ich bin ja nicht die Welt) Architekten Tadao Ando ein Meisterwerk aus Stahl, Glas und Beton errichtet. Eine perfekte Lokalität für Reinhard Goebel und sein Ensemble mit der "Kunst der Fuge" im Gepäck.

Bei meinen Recherchen stieß ich auf ein Interview, das Teresa Pieschacón Raphael mit Reinhard Goebel führte. Ich sage es lieber gleich, daß viele der folgenden Informationen aus eben diesem Interview stammen. Kann es doch schwerwiegende Folgen haben, auf die Quellenangaben zu "verzichten", auch wenn es sich hier nicht um eine Arbeit handelt mit dem Ziel einen Doktorentitel zu erlangen. Und bevor Sie es bemerken, mich vielleicht sogar bloß stellen oder in Verlegenheit bringen, noch ein weiteres Geständnis: Die meisten der Worte, die ich verwende, werden Sie bei eingehender Recherche auch im Duden wieder finden.

Nun, wo das geklärt ist, zurück zu dem erwähnten Interview, daß mich tief beeindruckte. Auf die Frage, welche Erinnerung Reinhard Goebel mit diesem Konzert verbindet, antwortete er:
"Der Tonmeister sagte mir, es sei eine wunderbare Aufnahme, aber ich war damals geistig schon etwas weg von allem. Der Entschluß das Ensemble aufzulösen war gefallen. Ich erinnere mich an einen faszinierend modernen Raum, wir saßen an der spiegelnden Wasserfront hinter Glas, wo es dann doch sehr heiß wurde. Über der ganzen Produktion lag doch ein bisschen Trauer. Und doch war es sehr schön. (...)"

Weshalb entschloß sich Reinhard Goebel für die Auflösung dieses Ensembles, welche Gründe hatte er? Wo nicht einmal die Lähmung seiner linken Hand vor mehr als zehn Jahren ihn dazu bringen konnte. Die Lähmung der linken Hand! Stellen Sie vor, was dies für einen Geiger bedeutet! Doch nein, ein Reinhard Goebel lässt sich nicht durch das Schicksal ins Handwerk pfuschen. Oder etwa doch? Er sah es als Herausforderung und lernte den Bogen seiner Violine "mit links" zu führen. Er hatte den Bogen also raus und spielte 10 Jahre herausragend anders herum.

Reinhard Goebel macht auf mich den Eindruck als seien ihm Fleiß, Strenge, Konsequenz, Pflichtbewußtsein, Ernsthaftigkeit und auch Wille außerordentlich (ich vergaß die Ordnung zu erwähnen) wichtig. So ist Bachs "Kunst der Fuge" eine ausgezeichnete und adäquate Wahl (Berlin Classics/EDEL DVD). Sein ehemaliger Lehrer Franzjosef Maier sagte einst zu ihm: "Also ich weiß es nicht, Herr Goebel, Sie machen alles nur mit dem Willen." "Herr Professor", - Goebel antwortete - "womit denn sonst?" Ja, womit denn sonst?

Wenn die Lähmung seiner linken Hand ihn nicht dazu bringen konnte, "Musica Antiqua Köln" aufzulösen, was denn? Es war der Unfall eines Kollegen auf einer Autobahn. Der Geiger lag drei Monate im Koma und verlor ein Bein. Reinhard Gorbel entschied, das Ensemble aufzulösen. "(...) Mein geigerischer Kollege hat ein Bein verloren, danach war für mich alles klar. Im Grunde genommen wollte ich mich mit 55 zurückziehen. Seit ich 18 bin, stehe ich in Arbeit. (...)"

War es die Unmöglichkeit für einen Mann der "in Arbeit steht", nach solch einem Unglück, dem Verlust eines Beines, was theoretisch das Geigenspiel zuließe, weiter zu machen?

"(...) Der Entschluß das Ensemble aufzulösen war gefallen. Ich erinnere mich an einen faszinierend modernen Raum, wir saßen an der spiegelnden Wasserfront hinter Glas, wo es dann doch sehr heiß wurde. Über ganzen Produktion lag doch ein bißchen Trauer. Und doch war es sehr schön."

Ja, das war es, Herr Goebel, das war es!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt