Übermütig-freudvoller Auftakt zu den Bregenzer Festspielen

14. Juli 2022 Martina Pfeifer Steiner —
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Als Vorspann zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2022 wurde die Opernstudio-Produktion "Die Italienerin in Algier" von Gioachino Rossini nachgeholt. Voriges Jahr ist sie nämlich just am Tag der Premiere einer positiven Corona-Testung zum Opfer gefallen. Intendantin Elisabeth Sobotka hat dieses Format eingeführt, um jungen Sängerinnen und Sängern ein Podium zu bereiten. Zur Freude des Publikums – denn diese Inszenierungen sind hochkarätig, vor allem wenn Brigitte Fassbaender Regie führt.

Der junge Rossini war in Venedig mit seinen 21 Jahren schon sehr beliebt, doch als eine der Opern durchfiel, komponierte er hurtig – in drei Wochen – "L´italiana in Algeri". Diesen berauschenden Schwung vermeint man in dieser typischen Opera buffa noch immer zu spüren. Musikalisch brillant. Die Geschichte an sich ist ein Spiel voller Komik und Absurditäten – ohne Tiefgang. Daraus macht das kongeniale Team aus Regisseurin, der großen Kammersängerin Brigitte Fassbaender, und dem musikalischen Leiter Jonathan Brandani eine virtuos vergnügliche Lustbarkeit auf höchstem Niveau.

Mustafa, der Bey von Algier, ist seiner Frau Elvira überdrüssig und bestellt eine Italienerin, die in persona als Isabella quasi angespült (weil schiffbrüchig) wird, ihr tollpatschiger Begleiter und Verehrer Taddeo übernimmt die Buffo-Partie. Isabella liebt Lindoro, der als Sklave von Mustafa festgehalten wird, jedoch für die Abreise von Elvira sorgen sollte. Die Regisseurin lässt das Ambiente der arabischen Märchenwelt bewusst beiseite und versetzt die Handlung auf eine Luxusyacht. Das funktioniert sehr gut und schlüssig, driftet nie in Klamauk ab, auch wenn die Szenen mit Witz vollgepackt sind. "Die Komik muss sich aus der Situation ergeben. Je ernster man sie und sich in einem solchen Stück nimmt, desto besser. Komik funktioniert nur durch Präzision und Ernsthaftigkeit", sagt Brigitte Fassbaender im Interview.

Und was für schöne Stimmen haben sich zusammengefunden! Man ist geflasht beim ersten Einsatz der sechs Chorsolisten, die hier zu Matrosen und Stewards werden, anstatt Eunuchen oder Sklaven. Oder wenn die Mezzosopranistin Ekaterina Chayka-Rubinstein in der Rolle der Dienerin Elviras singt. Diese wird wiederum von der vielversprechenden Sopranistin Sarah Yang dargestellt. Zulma sorgt auch schauspielerisch für belustigende Sequenzen mit Isabellas Hündchen, das sie an der Leine springen lässt. Das männliche Nebenrollen-Pendant ist Haly, der in Polen geborene Bass Hubert Kowalczyk – unheimlich präsent in Mimik und an Jonny Depp als karibischer Pirat erinnernd.

Die große Hauptperson ist natürlich die russische Mezzosopranistin Maria Barakova, die die höchst anspruchsvollen Koloraturen mit Kehl- und Sprachakrobatik trällert. Isabella hat alles im Griff, ist überlegen und zieht die Fäden, um schlussendlich mit Lindoro – der klassische Belcanto-Tenor – nach Italien zurückzukehren. Der Kanadier Spencer Britten passt wunderbar in diese Rolle und überrascht mit akrobatischen Einlagen, hat er doch Ballett und Jazztanz trainiert. Komödiantisches Talent bringen ebenso Alberto Comes als Mustafa – mit prachtvollem Bassbariton – und Pierpaolo Martella als Taddeo mit. Herrlich wenn das Trio dann über den Orden der Pappataci singt, bei dem die einzige Aufgabe darin besteht, zu essen, zu trinken und zu schlafen.

Der Dirigent Jonathan Brandani äußert sich begeistert über das Ensemble und die Offenheit sowie Bereitschaft zu experimentieren, "speziell in Passagen mit musikalischen Verzierungen, mit Tempomodifikationen und flexiblen rhythmischen Nuancen. Belcanto lebt von dieser Virtuosität, die wir insbesondere bei Isabella, Mustafa und Lindoro finden. Die Flexibilität, die man dafür benötigt, bringen diese jungen Menschen mit." Jene Qualität trifft auch auf das farbenreich klingende Vorarlberger Symphonieorchester zu – schlank, spritzig, wohl dosiert in ganz leisen Tönen oder aus vollem Rohr: "Hier braucht man Spontanität, Freiheit. Man muss verstehen, was zwischen den Noten steht; es zählt nicht nur, was auf dem Papier steht: Was war die Idee des Komponisten?" – Das ist erfreulich gelungen!