Tagträume – Nachtgedanken

Skurrile Fabelwesen, furchterregendes Höllengetier und listige Gnome in einer gespenstisch belebten Natur erhalten ab 25. Oktober 2012 Einzug ins Germanische Nationalmuseum. Zu sehen sind rund 130 graphische Blätter und Photographien aus dem 15. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Mit den graphischen Künsten stellt die Ausstellung das Medium ins Zentrum, das sich seit Jahrhunderten als besonders experimentierfreudig und spontan hervorgetan hat und dessen Technik sich außerdem hervorragend eignet für neue, individuelle Ausdruckformen und Nonkonformismus.

Gleiches trifft auf die surrealistische Photographie zu, die mit Collagen, Montagen, Mehrfachbelichtungen und Veränderungen am Negativ arbeitete. Beide Genre ergänzen sich auf das Beste und bieten ideale Voraussetzungen für die Darstellung phantastischer und irrealer Traumwelten.

Phantasie und Phantastik beflügelten über Jahrhunderte die Vorstellungskraft der Künstler: von der Höllenangst des christlichen Mittelalters über die Begeisterung der Neuzeit für naturwissenschaftliche, speziell optische Phänomene bis hin zu Ausbrüchen des Unterbewussten im Zeitalter der Vernunft. Mit der Gestaltung magischer Räume, der Kombination scheinbar unvereinbarer Gegenstände oder der Dämonisierung von Naturerscheinungen schufen Künstler Bilder voller Überraschungen, Rätsel und Melancholie, von verdrängten Träumen, Ängsten und Tabus.

Die Ausstellung gliedert sich in elf Themenbereiche. Diese widmen sich u.a. dem "Auge" als Motiv, das je nach Perspektive als Fenster zur Außenwelt oder Fenster zur Seele gilt. Der Traum, der Rausch, die Halluzination werden den Erfahrungen des inneren Auges zugeschrieben. Von irrealen Ruinenlandschaften des Manierismus bis zu verfremdeten, klaustrophobischen Raumgebilden der Surrealisten reicht die Spanne der "Magischen Räume", die mit Bedeutung aufgeladen zu Spiegelbildern psychischer Zustände werden. "Kompositfiguren" zeugen vom Einfallsreichtum der Künstler und der subversiven Kraft ihrer Phantasie, wenn aus heterogenen Einzelteilen von Mensch, Tier oder Gegenständen neue groteske oder monströse Lebewesen zusammengesetzt werden.

Der Bereich der "Wechselnden Perspektiven" beschäftigt sich mit dem Phänomen der Perspektive nicht nur als Mittel der Wirklichkeitsschilderung, sondern als besondere Form der Wahrnehmung. Die "Unordnung der Dinge" dagegen bringt Gegenstände zusammen, die in der Wirklichkeit keinen Bezug zueinander haben. Neue, fremde Kombinationen entstehen, die Raum für Assoziationen lassen. Eher heiter dagegen ist der Bereich der "Capricci", bei denen es sich meist um launige oder skurrile, spielerische oder virtuose Kabinettstücke handelt, die Künstlern als Ventil ihrer überschäumenden Phantasie dienten.

Die "Naturmetamorphosen" zeugen von der Verwandlung und unheimlichen Belebung der Natur. Sie lassen Gesichter in Astwerken und Gesteinen erscheinen, als Spiegel menschlicher Seelenzustände. Bis in die Antike hinein reicht die Darstellungstradition rätselhafter Dämonen und chimärenhafter Ungeheuer, die unter dem Thema "Phantasmagorien" zusammengefasst sind. Seit Erfindung des Buchdrucks thematisieren Flugblätter immer wieder das Erscheinen solch merkwürdiger Kreaturen und seltsamer Wesen. "Tagträume – Nachtgedanken" ist schließlich die letzte Sektion überschrieben, die sich mit Traumvisionen von Künstlern beschäftigt.

Die Ausstellung umfasst rund 130 Werke aus fünf Jahrhunderten, unter ihnen graphische Blätter von Martin Schongauer, Albrecht Dürer, Jacques Callot, Francisco de Goya, Max Klinger, Paul Klee, Hannah Höch, Pablo Picasso und Joan Miró und Photographien von Man Ray und Hans Bellmer. Neben regelmäßig stattfindenden Führungen werden im Filmhaus Nürnberg unter dem Motto "Kino des Phantastischen" während der Ausstellungslauf-zeit alte Stummfilme mit Live-Musikbegleitung, experimentelle Kurzfilme und Klassiker des Gruselgenres gezeigt.

Tagträume – Nachtgedanken
Phantasie und Phantastik in Graphik und Photographie
25. Oktober 2012 bis 3. Februar 2013