Sweet Nothings. Graphikfolgen von Thomas Schütte

Thomas Schütte (*1954, Oldenburg) gehört zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart. Als wohl bedeutendster deutscher Bildhauer unserer Zeit ist er in der Schweiz bislang vor allem mit seinen Bronze-Figuren und Keramiken in Erscheinung getreten. Die Graphische Sammlung ETH Zürich fokussiert in der aktuellen Ausstellung auf das graphische Schaffen und macht dieses zum ersten Mal in der Schweiz einem breiten Publikum zugänglich. Seine Graphiken sind ein wesentlicher Bestandteil seines Œuvres, was nicht zuletzt das eindrückliche thematische wie technische Spektrum der zahlreichen Mappen und Portfolios beweist. Die Ausstellung präsentiert daraus ein Panorama aus den letzten dreissig Jahren, das neben den berühmten Frauen- und Blumen-Sujets auch weniger bekannte Seiten des deutschen Künstlers zeigt.

Thomas Schütte ist nicht nur bedeutendster deutscher Bildhauer unserer Zeit, sondern ebenfalls ein genuiner Zeichner. Der Besuch der Documenta 5 (1972) wird für den damals Achtzehnjährigen zum eigentlichen Initiationsmoment: Er beginnt zu zeichnen; ein Jahr darauf immatrikuliert er sich an der Kunstakademie in Düsseldorf. Mit der ihm eigenen stark ausgeprägten Eigenständigkeit und technischen Virtuosität schafft Schütte neben seinen Skulpturen und Zeichnungen auch ein meisterhaftes graphisches Œuvre. In Zusammenarbeit mit Till Verclas produziert er seit 2001 Drucke, die er mit Vorliebe zu Folgen und Zyklen ausweitet. Mit dem renommierten Drucker und seinem Atelier für Druckgrafik bei Hamburg schuf er Werke von ungeahnter Schönheit und stiller Poesie, voll intimer Momente, aber auch existenzieller Abgründe und Brüche. Dieses ausserordentlich dichte Schaffen gilt es in einer stringenten Auswahl von Werken unter anderem auch aus bedeutenden Privatsammlungen zu entdecken.

Die Graphische Sammlung ETH Zürich verfügt in ihrem Bestand über zwei wichtige Werke von Thomas Schütte: Es handelt sich um Beispiele seiner bekannten, aufwendig gestalteten Buch-Editionen – "Volume II. The Big Nix" von 2005 und "Sweet Nothings" von 2008. Angelehnt an die klassischen Malerbücher, die in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgekommen sind, widmet sich der Künstler über mehrere Jahre hinweg diesem Genre. Wenn er die Bücher nicht selber verlegt, so lässt er sie mit grossem typographischen und drucktechnischen Aufwand auf handgeschöpftem Papier und in einer kleinen Auflage publizieren. In der Tradition dieser "livres de peintre" sind die Künstlerbücher von Thomas Schütte neben Texten auch mit Original-Druckgraphiken versehen. Letztere dienen jedoch weder als reine Illustration noch als freie Interpretation einer literarischen Vorlage. Vielmehr liefert der Künstler den Text gleich selbst – ob als Kurzgeschichte im Anhang oder aber in Form von tagebuchartigen Notaten.

Im Zentrum der Präsentation stehen deshalb die "druckgraphischen Bücher" von Thomas Schütte. Daneben sollen aber auch ausgewählte Graphikfolgen die überraschende thematische Bandbreite sowie gleichzeitig das umfangreiche technische Repertoire des Künstlers in diesem Medium abstecken. Hier lässt sich einerseits seine generelle Tendenz ausmachen, unter dem eigenen Motto "müde Mythen" und ganz im Geiste der Reformbewegungen der 1960-1970er Jahre, die alte, vertraute, aber abgenutzte Bildsprache aufzubrechen. Andererseits paart sich in seinem graphischen Schaffen eine unerhörte Raffinesse mit einer traumwandlerischen Souveränität im Umgang mit den klassischen Drucktechniken, die in seiner Interpretation eine vitale Weiterentwicklung erfahren. Diese singuläre Meisterschaft soll in einem Panorama über die letzten dreissig Jahre erfahrbar gemacht werden. Eine solche Übersicht ist in der Schweiz bis anhin ausgeblieben.


Sweet Nothings. Graphikfolgen von Thomas Schütte
14. November 2018 bis 27. Januar 2019
Eröffnung: Di 13. November 18, 18 Uhr