Subversive Praktiken

Vom 30. Mai bis 2. August 2009 widmet sich der Württembergische Kunstverein in Stuttgart den experimentellen und konzeptuellen Kunstpraktiken, die von den 1960er bis 1980er Jahren unter den Bedingungen von Militärdiktaturen und kommunistischen Regimes in Europa und Südamerika entstanden sind. Die Ausstellung, die rund 80 künstlerische Positionen umfasst, wurde von einem dreizehnköpfigen internationalen Kuratorenteam in enger Zusammenarbeit mit dem Kunstverein während eines zweijährigen Prozesses entwickelt.

In neun Sektionen fokussiert die Ausstellung die unterschiedlichen Kontexte und Strategien der künstlerischen Produktion sowie ihre Positionierung gegenüber den politischen wie kulturellen Repressionen in der DDR, Ungarn, Rumänien, der UdSSR, Spanien, Chile, Brasilien, Argentinien und Peru. Dabei geht es gleichermaßen um die Besonderheiten in sowie die Beziehungen zwischen den verschiedenen zeitlichen und lokalen Umfeldern.

Die Ausstellung unternimmt den Versuch einer verschobenen Kartografie und eines erweiterten Verständnisses konzeptueller Kunstpraktiken, die sich jenseits des anglo- amerikanischen Kanons etabliert haben. Dabei werden insbesondere deren interdisziplinäre, kollaborative und gesellschaftspolitische Potenziale hervorgehoben, das heißt, die Grenzverschiebungen, die sie zwischen bildender Kunst, Politik, Gesellschaft, Wissenschaften, Architektur, Design, Medien, Literatur, Bühne, Aktivismus et cetera hervorgebracht haben.

Es geht zudem um künstlerische Praktiken, die nicht nur den tradierten Kunstbegriff, die Institutionen sowie das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit radikal infrage stellten, sondern die zugleich auf subversive Weise Strukturen der Zensur hintertrieben und gegen die bestehenden Machtsysteme opponiert haben. Der Körper, die Sprache und der öffentliche Raum bildeten dabei die zentralen, gleichermaßen symbolischen wie performativen Instrumentarien des Widerstands ab. Die Aneignung von Medien und Distributionskanälen – insbesondere der Post – hat wiederum eine besondere Rolle für die Etablierung der weitverzweigten Netzwerke zwischen (Ost-)Europa und Lateinamerika gespielt.

Anstelle einer homogenen lückenlosen Narration geht es der Ausstellung um eine Reflektion und Konfrontation bestimmter Ansätze, Situationen, Frage- und Problemstellungen. Nicht die Rückführung ausgeblendeter künstlerischer Positionen in den bestehenden Kanon steht dabei im Vordergrund, sondern die Infragestellung kanonisierender Kunstdiskurse selbst.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes setzt sich mit dem Problem der Präsentation von ephemeren, prozessualen, zeit- und ortspezifischen Kunstpraktiken auseinander. Entwickelt werden Präsentationsformate, die eine sinnliche Erfahrung sowie Recherche zulassen und zugleich der Radikalität der künstlerischen Arbeiten gerecht werden.

Die verschiedenen KuratorInnen haben für ihre Ausstellungssektionen jeweils eigene Präsentationsstrategien entwickeln. So wird die Ausstellung auch auf formaler Ebene als ein vielstimmiger Parcours, als eine mehrdimensionale Kartografie erfahrbar.


Eine Publikation zum gesamten Projekt erscheint im Herbst 2009.

Subversive Praktiken
Kunst unter Bedingungen politischer Repression
60er–80er / Südamerika / Europa
30. Mai bis 2. August 2009