Still in Motion

Im Feldkircher Schaulager, eine Dependence der Galerie Feurstein, nahm Philipp Geist bereits einmal schon bei einer Ausstellung teil. Nun richtet Galerist Günter Feurstein dem heute in Berlin & Weilheim lebenden und arbeitenden Geist in seinen Galerieräumlichkeiten die erste Einzelausstellung in Vorarlberg aus. Geist ist in der Malerei, der Fotografie, Performance-Kunst und Video-Installation gleichermassen beheimatet.

In der Fotografie geht der deutsche Künstler zum Grossteil von Alltagsgegenständen aus. Er löst aber deren Konturen, Schärfe und Bewegungen derartig auf, sodass das Objekt oder ein Ablauf per se seine Bedeutung verliert. Es ist für den Betrachter kaum mehr ersichtlich, was dargestellt ist. Geist lichtet zwar einen konkreten Gegenstand, einen Teil der Wirklichkeit oder einen Prozess ab, überführt ihn aber völlig in die Abstraktion. Er befreit ihn sozusagen aus seinem ursprünglichen Kontext, isoliert ihn, macht ihn unkenntlich. Die Fotografien erinnern formal an Makro- und Mikrostrukturen, an abstrakte Gemälde, ein Spiel zwischen Licht und Schatten, oder auch an die unscharfen Bilder etwa eines Gerhard Richters.

Geist verzichtet bewusst auch auf Titel. Der Betrachter soll sich selbst mit dem beschäftigen, was er wahrnimmt, soll der eigenen Phantasie freien Lauf lassen. Soll selber Gegenstände erkennen oder auch nicht. Geist hinterfragt damit auch die Sehgewohnheiten. Und er schafft durch den Abstraktionsvorgang, diese Verfremdung der Realität, auch eine neue Wirklichkeit, die nun zum Inhalt der Kunst wird. Er lässt neue "Geheimnisse" erstehen. Die Reduktion bewirkt letztlich, dass man mehr sieht, die Unschärfe schärft die Wahrnehmung.

Die Fotografien des in der Spree-Stadt lebenden Kunstschaffenden sind kaum mit dem Computer bearbeitet. Alles was abgelichtet ist, entsteht direkt im Moment der Aufnahme. Die Unschärfen und Abstraktionen werden durch perspektivische Variationen, Aufnahmeeinstellungen und die Bewegung mit der Kamera (die Kamera als Malutensil) bewirkt. Geist verleiht seinen Arbeiten dadurch unerhörte malerische Qualitäten.

Neben der Assoziation zur Malerei und der Auseinandersetzung mit Sehgewohnheiten spielen weiters auch die Faktoren Zeit, Zeiträume und die Bewegung in der Zeit ein zentrales Thema im Schaffen von Geist. Dem entsprechend übertitelt er seine Schau denn auch mit "Still in Motion". Eine Überschrift, die in sich widersprüchig ist, verkündet sie doch eine Bewegung im Stillstand. Es geht nicht darum, einen Gegenstand oder Moment "einzugefrieren", so wie dies ein Hauptaspekt der konventionellen, dokumentarischen Fotografie ist, sondern darum, einen Zustand der Bewegung darzustellen. Geist versucht, Zeit, Bewegung und Licht miteinander in Einklang zu bringen.

Philipp Geist will seine Ausstellung in Feldkirch stark über das Licht definieren. Denn Licht und Schatten sind es, die neben dem Aspekt des Malerischen zwischen seinen Fotografien, seinen Videoarbeiten und der Malerei den roten Faden knüpfen. Auch die Lack- und Acryl-Gemälde, mit denen er aufwarten wird, sind gegenstandslos und von freien Strukturen und Lichtreflexionen geprägt. Für sie gilt dasselbe wie für die Fotografien: Vorgefundenes wird verhüllt, verfremdet, infrage gestellt und mit einer neuen Geschichte aufgeladen. Der Betrachter ist aufgefordert, die Codes zu entschlüsseln oder eigenständige Standpunkte und Definitionen zu entwerfen.

Philipp Geist - Still in Motion
27. September bis 27. Oktober 2012