Schnörkellose Harmonie

19. Oktober 2011 Rosemarie Schmitt
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Ich las, er sei zwischen Toulouse und den Pyrenäen zur Welt gekommen. Wenn dem so war, dann vielleicht während einer Reise. Nun, da Gabriel-Urbain bereits das fünfte von später einmal sechs Kindern gewesen ist, wird seine Mutter mit dem Ereignis an diesem 12. Mai des Jahres 1845 wohl zurecht gekommen sein. Wie die meisten herausragenden Komponisten, begann er bereits als kleines Kind zu musizieren, so spielte er häufig in einer kleinen Kapelle, wo ihm eine alte blinde Frau zuhörte und sein Talent bewunderte, denn taub war sie nicht. Sie war es, die Gabriel-Urbains Vater davon überzeugte, den Jungen zur musikalischen Ausbildung nach Paris gehen zu lassen.

Kennen Sie Charles Gounod, Camille Saint-Saens, Claude Debussy und Maurice Ravel? Gabriel Fauré kannte sie auch! Gounod lernte er in einem Salon kennen, und nicht nur ihn, sondern auch die Töchter der Salonbesitzerin. Beide waren, wie auch ihre Frau Mama sehr musikalisch. Irgendwie mochte Fauré wohl die ganze Familie. So komponierte er gar eigens für die Mutter und ihre Töchter Lieder und Klavierstücke. Statt der Bitte von Madame Viardot nachzukommen, eine Oper zu komponieren, zog Fauré es vor, sich mit Mademoiselle Marianne Viardot zu verloben. Die Hochzeit wurde geplant, und verschoben. Ein neuer Termin wurde festgelegt, die Braut wurde krank.

Der junge (32jährige) Fauré, ebenso ungeduldig wie attraktiv, war sauer und tat dies seiner Liebsten in einem Brief kund. - Für jene, die sehr jung sind: Briefe = ein oder mehrere Bogen Papier, die meist mit Füllhalter beschrieben, von einem Briefträger der Post zum Adressaten gebracht wurden. Man schrieb man sie sich, bevor es Mails und Short Messages gab! Das Ergebnis ließ zwar einige Tage auf sich warten, sonst hat sich jedoch nichts geändert. - Also war’s das mit den beiden! Der Bräutigam sei zu leidenschaftlich gewesen, heißt es. Mademoiselle blieb eine solche und gab Monsieur den Laufpass. Sein Pass passte wohl partout nicht in ihr Passepartout (verstehen Sie es als eine Metapher, liebe Leser)... und Fauré komponierte Lieder, eine Elegie in Moll und mochte besonders die Musik Richard Wagners.

Einige Jahre später, er ging auf die Vierzig zu, war er noch immer Junggeselle (für die Jüngeren unter Ihnen: Single). Zum guten Ton, neben den Kompositionen, gehörte es zu jener Zeit, als Mann eine Frau zu haben, eine Ehefrau. Statt Internet-Foren bemühte und bezahlte man damals die sogenannte Kupplerin, von der man sich Partner suchen ließ. Fauré bekam 3 Damen zur Auswahl, konnte sich jedoch für keines der Profile so recht entscheiden, schrieb deren Namen auf je ein Zettelchen, warf diese in seinen Hut und zog: Marie Fremiet!

Also wurde geheiratet und es wurden, wie es sich ebenfalls gehörte, Kinder geboren. Diese blieben wohl die einzige Gemeinsamkeit der Eheleute. Gabriel war allzu gerne im Pariser Nacht- und Musikleben unterwegs, Marie blieb lieber Zuhause. Es kam sogar vor, daß sie seine Wäsche nicht wusch, damit er bleiben möge, aber... Entweder er ging nackt, oder schmutzig, ich weiß es nicht. Irgendwann aber kam er gar nicht mehr zurück, und sie schrieben sich hin und wieder Briefe (Brief: siehe oben). Wahrscheinlich wusch nun die junge (24) Pianistin Marguerite Hasselmans seine (45) Wäsche, und zwar bis zu Faurés Ende, und das war immerhin noch fast ein viertel Jahrhundert.

Er war immer ein bisschen anders, dieser Gabriel Fauré! Auch als Komponist blieb er stets ein wenig der Außenseiter. Sehr zu Unrecht, denn besonders seine kammermusikalischen Werke sind herausragend und hörenswert. Wenn dem nicht so wäre, glauben Sie, die Créme de la Créme der französischen Interpreten hätte diese CD aufgenommen? Die Brüder Renaud (Violine) und Gautier (Cello) Capuçon, Gérard Caussé (Viola), das Quatuor Ébène und die Pianisten Michel Dalberto und Nicholas Angelich haben es getan! Sie und Virgin Classics haben auf 5 CD’s Faurés komplette Kammermusik für Streicher und Klavier eingespielt. Eine ganz besondere Komposition ist das einzige Streichquartett des Komponisten, das er, nahezu taub geworden, kurz vor seinem Tod zu Papier brachte. Das Quatuor Ébène, das Anfang Oktober den ECHO-Klassik in der Kategorie Kammermusik-Einspielungen 20./21. Jahrhundert für ihr Album "Fiction" erhielt, bringt es Ihnen zu Gehör!

Genießen Sie die spannende Kammermusik des "französischen Brahms", dem vielleicht anspruchsvollsten "Kontrapunkteur" seiner Zeit. interpretiert von den besten Musikern Frankreichs und hören Sie die Freuden und Leiden eines bewegten Lebens.

Herzlichst
Ihre Rosemarie Schmitt