Robert Therrien im Kunstmuseum Basel

Der 1947 in Chicago geborene Künstler Robert Therrien lebt und arbeitet in Los Angeles. Er hat sich vor allem durch seine Skulpturen und Rauminstallationen einen Namen gemacht, die riesenhafte Dimensionen annehmen können, wie z.B. der 1994 entstandene Küchentisch mit vier Stühlen, dann ein Klapptisch und Klappstühle, aufgestapelte Teller, Töpfe und Pfannen, spiralförmige Betten, eine Ölkanne u.a.

Therrien ist aber ebenso als Zeichner tätig. Sein Werk ist in amerikanischen Sammlungen gut vertreten, doch ist er in Europa immer noch relativ wenig bekannt. Das Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel zeigt nun eine umfangreiche Ausstellung seiner Arbeiten auf Papier. In diesen Werken gehen die Medien der Zeichnung, der Druckgraphik und der Photographie eine untrennbare Verbindung ein. Therrien spielt in ironischer Weise mit dem Widerspruch zwischen der individuellen Handschrift und der Reproduzierbarkeit eines Werkes. Anstelle Serien herzustellen, fertigt er Drucke an, die Unikate sind, nimmt an ihnen nur minimale Eingriffe mit dem Zeichenstift vor oder koloriert gedruckte Formen individuell.

Wenn sich seine Motive also zu "Zeichen" verselbständigen und dem Betrachter in ihrer Anschaulichkeit entzogen werden, so gewinnen sie durch ihre Animation ein hohes Mass an Individualität zurück. Bei aller ästhetischen Vergegenwärtigung werden sie aber ebenso sehr ins Erzählerische entrückt. Es eröffnen sich so neue Dimensionen für den Betrachter: die der Assoziation und der persönlichen Erinnerung.

Therrien hält an den einmal gewählten Motiven fest. Er variiert oder verwandelt sie, so dass sie wiedererkennbar bleiben oder auch neue Assoziationen wecken. Sie sind Teil seiner persönlichen Bildsprache, werden zu Idolen, die ihn nicht mehr loslassen, und die für den Künstler eine ganz bestimmte Bedeutung haben. Therrien interessiert sich für die einfachen Formen, für Motive, welche darüber hinaus der alltäglichen Lebenswirklichkeit entstammen und dort so tief verankert sind, dass man sie kaum mehr als etwas Besonderes wahrnimmt.

Zu ihnen gehören die Silhouetten von Wolken, Schneemännern, Schlusssteinen, Flecken, von Kirchen, einer galgenähnlichen Gebälkkonstruktion, dann Physiognomien, die der Welt der Comics entstammen oder an diese erinnern. Es sind Motive, die, wie z.B. die Teller eines bestimmten Herstellers, eine soziale Dimension haben, werden oder wurden diese doch von vielen Menschen täglich benutzt. Aber auch das Bild vom Storch, der die Kinder bringt, Motive also, die als volkstümliche Mythen bezeichnet werden können und zu einem Klischee geworden sind.

Sie besitzen an sich schon eine abstrakte Qualität, die Therrien zusätzlich betont und durch ihre Fragmentierung steigert. Hinzu kommt, dass er häufig auf die Wiedergabe von Schatten verzichtet, die Motive auf dem Papier im leeren Raum schweben lässt, ihnen jeden Halt nimmt und so eine Mehrdeutigkeit evoziert. Sie entfalten nun ein Eigenleben, "tote" Gegenstände können, ähnlich wie in Comics oder Märchen, animiert werden oder treten in ein spannungsvolles Wechselspiel zueinander ein.

Die Bildtradition des Stilllebens als Komposition, die selbst noch in der Skulptur des riesenhaften Tisches mit den Stühlen anklingt, oder dann die Idee einer Sammlung, d.h. ein wie auch immer gestaltetes Ordnungsprinzip, bilden immer wieder eine Basis, welche die Motive verbindet. Doch ist dieser Zusammenhalt sehr fragil und wird oft und auch in ironischer Form vom Künstler in Frage gestellt. Nicht zuletzt kommt hier der Gedanke der Vergänglichkeit ins Spiel, der der Bildgattung des Stilllebens traditionell innewohnt. Dieser Aspekt ist auch für Sammlungen charakteristisch, deren Bestandteile künstlich zusammengefügt sind, da die Dinge ihren ursprünglichen Kontext verloren haben.

Therriens Motive erheben nicht mehr den Anspruch, vom Künstler im Sinne eines genialen Schöpfungsaktes individuell erschaffen worden zu sein. Vielmehr scheinen die Motive einfach schon da zu sein, wie der Tisch mit den Stühlen. Sie können ohne sein Zutun aus dem "Nichts" des leeren Papiers hervortreten oder sind in dessen Oberfläche wie Tätowierungen eingegraben. Die Handschrift des Künstlers verschwindet förmlich, wenn dieser mit Schablonen zeichnet, auf Polaroid-Photographien zurückgreift oder druckgraphisch arbeitet: Seine Motive sind das Resultat ihrer eigenen Reproduzierbarkeit.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Scheidegger & Spiess mit einem Text von Christian Müller (in deutscher und englischer Sprache), ca. 190 S. und 50 Farbabbildungen.

Robert Therrien - Arbeiten auf Papier
1. Juni bis 7. September 2008