Raum-Maschine Theater

Das Theater ist der Ort, an dem Visionen fassbar und sinnlich erlebbar werden. Wo die Phantasie des Regisseurs und Bühnenbildners, des Dramatikers und der Darsteller sich in Fleisch und Blut, Raum und Zeit verwandeln. Das Theater ist aber auch ein Ort des Handwerks und der Technik: Damit die luftigen Träume sich materialisieren können, müssen sich viele Hände und Köpfe in Bewegung setzen, braucht es Maler und Beleuchter, Bühnenmeister und Tontechniker, die eine hochsensible und komplexe Maschine am Laufen halten, von deren Existenz der Zuschauer eigentlich nur dann etwas mitbekommt, wenn sie stottert und stolpert - eigentlich aber ist für sie Unsichtbarkeit das größte Kompliment.

Die Ausstellung "Raum-Maschine Theater" will genau diese Spannung von ästhetischem Höhenflug und technischer Umsetzung in den Blick nehmen. Im Zentrum stehen die Räume und Welten, die das Theater "herstellt", um uns Zuschauer zu bezaubern: Von den Terrassen Elsinores, auf denen Hamlet dem Geist begegnet, über Fausts Studierstube, phantastische Feen-Paläste bis hin zu modernen Großstadt-Visionen zeigt die Ausstellung ein breites Spektrum szenischer Visionen und Entwürfe. Dabei kommen nicht nur graphische Entwürfe zur Anschauung, sondern auch eine Reihe von Bühnenbildmodellen.

Zu Beginn aber nimmt die Ausstellung die Raum-Maschine Theater selbst noch einmal unter die Lupe: Die Spannung der beiden Sphären, die hier unter einem Dach zusammenkommen, hat sich nämlich den Theaterbauten selbst eingeschrieben. So markiert der Vorhang die Grenze zwischen dem Schauraum und der Lebenswelt der Zuschauer, zum anderen aber erhöht er die Unsichtbarkeit der Maschinerie, deren Wirken den Blicken der Zuschauer entzogen werden soll.

In diesem Sinne lässt sich eine regelrechte Anatomie der Raum-Maschine entdecken, die in den jeweiligen Bereichen - Zuschauerraum, Entrée und Foyer im Gegensatz zu Künstlergarderoben, Maschinenräumen und Büros - eine eigene Ordnung zwischen pragmatischer Funktionalität und inszeniertem Überfluss bildet, um in ihrem Zentrum diese Sphären kulminierend zusammenkommen zu lassen. Das Theater ist eben nicht nur Kunstraum, sondern auch soziale Sphäre der Selbstinszenierung und Interaktion - mithin also auch eine Bühne für das Publikum selbst.

Davon ausgehend nimmt die Ausstellung in acht Kabinetten unterschiedliche Aspekte des Theaterraums in den Blick: So ist eine Abteilung dem Phänomen der Treppe gewidmet, das sich in der gesamten Theatergeschichte findet, aber vor allem in der Moderne einen Kulminationspunkt hat: die Treppe als Ausdruck von Macht- und Geschichtsverhältnissen, als Labyrinth und Irrgarten und schließlich die Treppe als Dynamisierung des Raumes - seine Öffnung in die Vertikale, deren Stufen nicht mehr zu einem Ziel, sondern nur noch zur Bewegung selbst führen wollen.

Der Blick zum Himmel ist ein Grundmotiv der Theatergeschichte und der Raum-Findungen des Theaters: Heilige Szenen ist daher ein eigenes Kabinett überschrieben, in dem sowohl sakrale Räume wie die Kathedrale in der Jungfrau von Orleans oder Fausts Studierstube in gotischem Stil ihren Platz finden, als auch als heilig inszenierte Räume wie der Gralstempel in Parsifal - das Heilige und das Theatrale scheint eine ebenso vielschichtige wie dauerhafte Wahlverwandtschaft zu verbinden.

Den Visionen einen Raum geben, bedeutet aber auch Freiräume für Wunsch- und Angstorte zu bieten: Eutopien und Dystopien stehen daher im Zentrum eines Doppelkabinetts, das die eigentümliche Ortlosigkeit theatraler Phantasien reflektiert und diese in allen Registern nachzeichnet: Von den glitzernden Traumarchitekturen der Feerien bis in die Unterwelt-Phantasmen lässt sich hier ein breites Panorama erleben.

So wie das Verhältnis von Theater und Stadt bereits in der Anatomie und dem ersten Kabinett der Ausstellung thematisch wurde, so kehrt die Ausstellung am Ende zu ihrem Ausgangspunkt im wörtlichen Sinne zurück, nämlich in die Kölner Theatersituation: Mit einem Doppelkabinett wird sowohl an den Sehnsuchtsort der alten Kölner Oper am Habsburger Ring erinnert als auch ein Blick auf den Sehnsuchtsort des Riphahn-Theater-Ensembles geworfen, das - hinter einem Bauzaun verborgen - einer neuen Zukunft entgegensieht. Damit wird die Ausstellung Raum-Maschine Theater am Ende selbst zu einer Bühne, um den Sehnsüchten der Kölner nach ihrem Theater einen Platz zu geben.

"Raum-Maschine Theater - Szene und Architektur" ist eine Ausstellung des Museums für Angewandte Kunst in Köln in Kooperation mit der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln.

Raum-Maschine Theater – Szene und Architektur
15. Dezember 2012 bis 10. März 2013