Psychodynamische Raumstrukturen

Johannes Peter Hölzinger gehört zu den konsequentesten und eigenwilligsten Entwerfern seiner Generation. 1936 in Bad Nauheim geboren, studierte er von 1954 bis 1957 Architektur in Frankfurt am Main an der Städelschule. Nach einer ersten skulptural-körperhaften Werkphase strebte er über den reinen architektonischen Entwurf hinaus bald einen interdisziplinären Ansatz an.

Die Verbindung von Architektur und bildender Kunst ist der Leitgedanke der von 1965 bis 1982 bestehenden Planungsgemeinschaft mit dem Künstler Hermann Goepfert. In jenen Jahren entstehen spektakuläre Projekte wie die Planungen für den Schlosspark in Karlsruhe anlässlich der Bundesgartenschau 1967. Legendär ist das damalige Seerestaurant - ein Raumfachwerk mit eingehängten Lichtröhren und farbigen, sich im Luftstrom bewegenden Reflektoren.

Einen weiteren Höhepunkt in Hölzingers Schaffen stellt das in der Mitte der 1970er Jahre errichtete eigene Wohnhaus mit Büro in Bad Nauheim dar. Das streng konzeptionelle Gebäude ist konsequent aus den Elementen Winkel und Halbschale zusammengesetzt. Daraus ergibt sich ein Haus als "modulare, materiale Verdichtung im endlosen Raum", in der sich die Arbeits- und Wohnzonen von unten nach oben immer offener zum Licht hin entwickeln.

Ab den 1980er Jahren entstand die Werkgruppe der Erdreliefs, eine Zwischenform aus Architektur und Landschaft. Hölzinger bezieht hier den Erdkörper mit in das Projekt ein. Prominentestes Bauwerk dieses Werkabschnitts ist das für das Bundesministerium der Verteidigung auf der Bonner Hardthöhe entworfene Kasino-Gebäude (1987–97). Von 1991 bis 2002 leitete Johannes Peter Hölzinger an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg die Klasse für Kunst und öffentlichen Raum.

Gerade den visionären Charakter in Johannes Peter Hölzingers Projekten und seinen realisierten Bauten betont der Untertitel der Ausstellung: Als psychodynamische Raumstrukturen lassen sich seine Entwürfe insofern bezeichnen, als sie nie eine Selbstfesselung der Architektur in bloßen funktionalen Sachzwängen akzeptierten. Hölzingers zutiefst im ästhetischen Aufbruch der ZERO-Bewegung wurzelnde künstlerisch-architektonische Haltung suchte immer sowohl nach einer intellektuellen Definition von Raumstrukturen als auch nach der sinnlich-körperlichen Erfahrbarkeit der Projekte. Nicht durch die physische Präsenz von Baumassen – wie in seinem Frühwerk –, sondern vielmehr durch eine kinetische Interaktion von visueller, akustischer und im Fall seiner Wasserstelen bisweilen auch sensorischer Erfahrungen. Hölzingers psychodynamische Raumstrukturen sind für den Nutzer wie den Betrachter eine ebenso intellektuelle wie sinnliche Infragestellung der konventionellen Zweiteilung von Form und Raum.

Im vergangenen Jahr feierte Johannes Peter Hölzinger seinen 75. Geburtstag. In einem Vorlass hat er dem DAM seinen umfangreichen Bestand an Skizzen, Zeichnungen, Modellen und Skulpturen übereignet.

Johannes Peter Hölzinger -
Psychodynamische Raumstrukturen

13. Oktober 2012 bis 13. Januar 2013