Pendeln zwischen England und USA, zwischen Arthouse und Mainstream: Stephen Frears

25. Februar 2013 Walter Gasperi
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Große Vielfalt zeichnet das filmische Werk des am 20. Juni 1941 in Leicester geborenen Stephen Frears aus. Vom kritischen Blick auf die britische Gesellschaft bis zum opulenten Kostümdrama "Dangerous Liaisons" und vom Film noir "Grifters" bis zum Post-Western "Hi-Lo Country" spannt sich der Bogen. Das Filmpodium Zürich widmet dem Briten im Februar und März eine Retrospektive.

Sein Jura-Studium brach der Sohn eines Arztes - nach anderen Quellen: eines Physikers - und einer Sozialarbeiterin nach drei Jahren ab und begann als Assistent bei den Free-Cinema-Regisseuren Karel Reisz und Lindsay Anderson. Geprägt hat ihn diese filmische Richtung, die den Blick auf die Unterschicht und das alltägliche Leben richtete, wohl ebenso wie Ken Loach, den er in den 1970er Jahren kennenlernte, als er beim britischen Fernsehen Regie führte.

Erst ein Jahrzehnt später öffneten sich in England mit Gründung des Fernsehsenders Channel 4 für Regisseure neue Möglichkeiten. Peter Greenaway drehte Anfang der 1980er Jahre ebenso seine ersten Filme wie Bill Forsyth, Terence Davies, Derek Jarman oder Neil Jordan. Auch Stephen Frears Karriere startete erst in dieser Zeit richtig, obwohl er seinen ersten Kinofilm schon 1971 mit dem Detektivfilm "Gumshoe" gedreht hatte.

Internationale Beachtung fand sein Roadmovie "The Hit" (1984), in dem er von zwei Killern erzählt, die einen Mann von Spanien nach Paris überführen müssen, wo ein Gangsterboss mit ihm abrechnen will. Wird mit diesem Genrefilm schon der Weg ins amerikanische Filmgeschäft vorgezeichnet, so bewies sich Frears mit seiner so genannten "London-Trilogie" auch als genauer Beobachter der Außenseiter der britischen Gesellschaft.

Nach Hanef Kureishis Drehbuch erzählt er in "My Beautiful Laundrette" (1985) von der homosexuellen Liebe zwischen einem jungen Pakistani und einem arbeitslosen weißen Briten. Auf Tatsachen beruht dagegen "Prick Up Your Ears" (1987), der von der Beziehung zwischen dem Dramatiker Joe Orton und seinem Mentor und Lebensgefährten Kenneth Halliwell handelt. Wiederum mit Kureishi arbeitete Frears bei "Sammie and Rosie Get Laid" (1987) zusammen, in dem wieder ein pakistanisch-britisches Paar im Mittelpunkt steht und es wieder um sexuelle Freiheit und Toleranz geht.

Ein Welterfolg gelang Frears mit der Verfimung von Choderlos de Laclos Briefroman "Les Liaisons dangereuse", die als Frears erste US-Produktion entstand (1988). Spielt dieser opulent ausgestattete Kostümfilm am Vorabend der Französischen Revolution, so drehte er mit seinem zweiten amerikanischen Film "Grifters" (1990) einen Film noir, der in den USA der Gegenwart angesiedelt ist. Dass Frears es versteht dem Genrekino neues Leben einzuhauchen, bewies er auch mit dem Post-Western "The Hi-Lo Country" (1998), in dem sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs vor dem Hintergrund der grandiosen Western-Kulisse von New Mexico eine Dreiecksgeschichte entwickelt.

Frears ließ sich aber nie vom amerikanischen Filmbusiness vereinnahmen, sondern kehrte auch immer wieder zu seinen britischen Wurzeln zurück. Kleine Filme sind seine Roddy Doyle-Adaptionen "The Snapper" (1993) und "Fish & Chips" (1996), die vom proletarischen Alltag in einem fiktiven Dubliner Vorort handeln. In starkem Kontrast stehen diese Produktionen zu einem amerikanischen Film wie "Mary Reilly" (1996), in dem die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde aus der Perspektive des Hausmädchens erzählt wird.

So vielfältig freilich Frears Werk ist, so zieht sich doch die Beschäftigung mit der Unsicherheit der Identität durch viele seiner Filme. So reift der Plattenladenbesitzer im US-Film "High Fidelity" (2000), indem er dem Zuschauer von seinen gescheiterten Beziehungen erzählt, mit gegensätzlichen Identitäten und Lebensformen spielt er in "The Queen" (2006), der einen Höhepunkt im Werk des Briten darstellt. Kennzeichnet diesen Blick auf das britische Königshaus und Premierminister Tony Blair feine Ironie, so übt er in "Dirty Pretty Things" (2002) mit den Mitteln des Thrillers Kritik an Organhandel und der Ausbeutung von Einwanderern.

Diese Pendelausschläge zwischen Thriller und Komödie scheint Frears ebenso zu brauchen wie die Abstecher in andere Zeiten, andere Milieus oder in die USA. Auf den nostalgischen Blick auf ein Londoner Theater der 1930er Jahre, dem die vornehme Witwe Mrs. Henderson mit nackten Tänzerinnen wieder Einnahmen bescheren will ("Mrs. Henderson Presents", 2005) ließ er mit der Comic-Verfilmung "Tamara Drewe" (2010) eine in der nur auf den ersten Blick idyllischen Provinz spielende Komödie folgen, um dann wieder in den USA mit Bruce Willis, Rebecca Hall und Catherine Zeta-Jones den im Wettmilieu spielenden "Lady Vegas" (2012) zu drehen. - Gespannt sein darf man folglich auch auf die drei aktuellen Projekte von Frears, die von der TV-Produktion "Muhammad Alis Greatest Fight" über "Philomena" bis zu einem noch titellosen Freddie Mercury-Biopic reichen, in dem Sacha Baron Cohen den legendären Leadsänger von "Queen" spielen soll.

Trailer zu "The Queen"