Otto Piene - Wege zum Paradies

Otto Piene (1928-2014) verfolgte mit seiner Kunst hochgesteckte Ziele: Nicht nur erweiterte er seinen künstlerischen Schaffensbereich mit schwebender Sky Art und medialen Projektionen buchstäblich bis in den Himmel, auch sollten seine Werke einen Beitrag zu einer harmonischeren und nachhaltigeren Welt leisten.

Thematisch strukturiert zeichnet die Ausstellung im Museum Tinguely die Visionen des Künstlers entlang der wichtigsten Projekte und Werkserien seines Œuvres nach. Dabei stehen Kunstwerke unterschiedlicher Gattungen sowie aus verschiedenen Zeiträumen miteinander und insbesondere mit seiner stetigen Praxis des Zeichnens im Dialog. Neben seinen Rasterbildern, Rauchzeichnungen, Feuerbildern und Lichtskulpturen versammelt die Ausstellung mehr als 20 Skizzenbücher des Künstlers und ermöglicht so neue und vielschichtige Lesarten von Pienes Œuvre. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf seinen frühen, immersiven Installationen, wie "Lichtraum mit Mönchengladbachwand" (1963-2013) und "Anemones: An Air Aquarium" (1976/2023), sowie auf seinen innovativen Experimenten mit Fernsehen und Intermedia ("The Proliferation of the Sun", 1967; "Black Gate Cologne", 1968; u. a.). Mit der Präsentation im Museum Tinguely wird das Werk des Künstlers — zehn Jahre nach seiner noch zu Lebzeiten 2014 in Berlin eröffneten Retrospektive - erstmals wieder in einer umfassenden Sonderausstellung gewürdigt.

Unter dem Titel "Wege zum Paradies" veröffentlichte Piene 1961 einen Beitrag in der Zeitschrift Zero 3. Er beginnt mit den Worten: "Ja, ich träume von einer besseren Welt. Sollte ich von einer schlechteren träumen?". Manifestartig steht dieser Beitrag für Pienes lebensbejahenden, konstruktiven Ansatz und seinen uneingeschränkten Glauben an das Potenzial der Kunst, die Gesellschaft zu verbessern. Die monografische Ausstellung im Museum Tinguely stellt den Wunsch Pienes, eine harmonischere, friedvollere und nachhaltige Welt zu gestalten, in den Mittelpunkt.

Entlang wiederkehrender Motive und Themen bietet die Präsentation eine Neubetrachtung von Pienes Kunst. Der Ansatz verbindet die beiden Perioden seiner schöpferischen Tätigkeit miteinander, die oft als distinkt angesehen worden sind: zunächst, von 1957 bis 1966, Zero in Düsseldorf, sodann Pienes Zeit am Center for Advanced Visual Studies (CAVS) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Dabei wird auch deutlich, wie sich Pienes Œuvre von einer abstrakten, nach Reinheit strebenden Kunst im Zuge des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Kunst entwickelte, die sich unter Einsatz von Technologie und Medien an eine grosse Öffentlichkeit richtete.

"Wege zum Paradies" stellt neben den wichtigen, bekannten Werken Pienes selten gesehene Arbeiten und unveröffentlichte Dokumente vor und ist die erste grossangelegte Museumsausstellung, die seine konstante Praxis des Skizzierens und Zeichnens im Zusammenhang mit seiner Malerei, Plastik, Installation, Performance und Medienkunst näher in Betracht zieht. Arbeiten und Projekte aus seinen wichtigsten Serien und Themenbereichen - "Rasterbilder und Rauchzeichnungen", kinetische Skulpturen, Lichtinstallationen, Sky Art, Experimente mit Fernsehen und Intermedia (u. a.) - treten so in einen Dialog miteinander sowie mit seinen Zeichnungen.

Die Ausstellung zeigt die Bedeutung von Zeichnen und Entwerfen im engen als auch in einem weiteren Sinn in Pienes Œuvre über die Mediengrenzen hinweg auf - beispielsweise, wenn er mit Rauch und Licht oder gar mit aufblasbaren Plastiken Formen in den Himmel zeichnete. Piene skizzierte in den traditionell dafür vorgesehenen Medien wie etwa in seinen Skizzenbüchern, die er stets zur Hand hatte, experimentierte aber auch mit damals völlig neuen und innovativen Technologien wie Fernsehübertragungen, Dia-Projektionen bis hin zu Lasern. "Entwerfen" steht darüber hinaus auch für das Potenzial, das Piene seiner Kunst zuschrieb: zur Entwicklung der Gesellschaft beizutragen, die Trennung zwischen Kunst und Technologie zu überwinden, ökologischen Verwerfungen zu begegnen und vor allem einen Beitrag zu einer friedvolleren, von der Kunst geeinten Welt zu leisten. Piene entwarf mit seiner Sky Art auch konkrete politische und symbolische Projekte, wie "Olympischer Regenbogen" (1972) oder "Black Stacks Helium Sculpture" (1976), die beispielhaft sind für eine gemeinschaftliche Kunst, die sich gezieltan ein Massenpublikum richtete und gegen eine elitäre Abschottung der Kunstwelt positionierte. Damit entwickelt sich die Ausstellung entlang zweier Stränge, einem medialen und einem inhaltlich orientierten, die zwar differieren, aber zugleich aufs Engste miteinander verwoben sind.

Otto Piene
Wege zum Paradies
7. Februar bis 12. Mai 2024
Kuratorinnen der Ausstellung: Dr. Sandra Beate Reimann und Dr. Lauren Elizabeth Hanson