Nicht die Laute, sondern die Mandoline!

5. Februar 2014 Rosemarie Schmitt
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Besonders sind nicht nur die Werke dieser nahezu unbekannten Komponisten, besonders sind auch das Solo-Instrument und deren Solistin, das sie begleitende Ensemble, und auch die Klangqualität dieser CD. Besonders gut! Kennen Sie die Musik der italienischen Komponisten Emanuele Barbella, Giovanni Francesco Giuliani und Giovanni Hoffmann? Nein? Dann haben Sie nun die wundervollste Gelegenheit diese für sich zu entdecken. "Forgotten Treasures" heißt die ARS-Production-Serie innerhalb derer diese CD veröffentlicht wurde.

Forgotten Treasures, vergessene Schätze also. Doch, ist es nicht Voraussetzung etwas vergessen zu können, es zuvor gekannt zu haben? Ich bin davon überzeugt, daß Sie diesen Schatz, nachdem Sie ihn fanden, nicht mehr vergessen werden. Vivaldi vergaßen Sie schließlich auch nie, und diese Komponisten können ihm durchaus das Wasser reichen! Doch was und wem nutzt die schönste und beste Komposition, liegt sie in der Schublade und wird nicht gespielt? Daniel Ahlert und die Professorin Marga Wilden-Hüsgen, bei der er an der Musikhochschule Köln/Wuppertal Mandoline und Barockmandoline studierte, kramten und entdeckten, unterstützten die Mandolinistin Anna Torge bei der Suche nach den Manuskripten für diese Erstaufnahmen.

Anna Torge ist eine herausragende Musikerin. Ja, im wahren Sinne des Wortes, und als solche habe ich sie in der Tat für mich entdeckt als ich vor 2 Jahren das Weihnachtsalbum des Ensembles Concerto Köln hörte. Sie spielt die Mandoline auf eine heraus ragende, brillante, mich verzaubernde Art und Weise, ja weise, erwachsen, sowohl technisch als auch musikalisch betrachtet. Ein erneuter Beweis für diese, meine Einschätzung, liefert ohne Zweifel die Aufnahme der Mandolinenkonzerte die Anna Torge gemeinsam mit dem Ensemble Kölner Akademie unter der Leitung von Michael Alexander Willens einspielte. Einfach? Ja! Einfach wertvoll!

Wertvoll und großartig finde ich zudem, daß Anna Torge immens großen Wert auf ihre musikalisch-pädagogische Arbeit legt. Sie unterrichtet Kinder ab 4 Jahren nach der Muttersprachenmethode, die ursprünglich für die Violine konzipiert wurde. Torge hat diese Methode auf die Mandoline übertragen und weiterentwickelt. Was ist die Muttersprachenmethode? Diese Bezeichnung stammt vom japanischen Violinpädagogen Shinichi Suzuki (1898-1998). Er sagte, Talent wird nicht angeboren, sondern anerzogen. (Kerstin Wartberg: Shinichi Suzuki, Pionier der Musikerziehung, Deutsches Suzuki Institut 2009, S. 21).

Übertragen auf die musikalischen Fähigkeiten bedeutet dies, daß, wenn das Kind eine bestimmte Musik in seiner Umgebung oft hört, es sie wie die Muttersprache aufnimmt. Es heißt, allmählich orientiert sich das Kind an den Lauten, die in seiner Umgebung überwiegen, und beginnt, die Laute der gehörten Sprache zu imitieren. Bei Anna Torge ist es nicht die Laute, sondern die Mandoline!

Hin und wieder lese ich, daß Anna Torge zu den führenden Solistinnen für ihr Instrument zählen dürfte, aber was heißt hier dürfte?! Sie muß! Es ist sehr wahrscheinlich, daß in vielen Jahren über die Geschichte der Mandoline folgendes zu lesen sein wird: ... erfuhr die Mandoline zu Beginn des 21. Jahrhundert durch die Solistin und Musikpädagogin Anna Torge eine Wiedergeburt, eine Hochzeit, wie es sie seit dem späten 18. Jahrhundert nicht gegeben hat! Ja, dies würde mich freuen zu lesen, doch dann werde ich nicht mehr sein, diese Musik schon.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt