Montforter Zwischentöne: Ein 24-Stunden Musik-Ritual trägt in ferne Sphären

Er ist einer der großen Jazzpianisten unserer Zeit. Der Schweizer Nik Bärtsch entwickelt mit seinem Trio schon seit Jahrzehnten Konzert-Konzepte, die Zeit und Raum in andere Dimensionen tragen. Und wenn die große Überschrift der Montforter Zwischentöne diesmal "Was trägt?" lautet, kann man die beiden Festivalleiter Folkert Uhde und Hans-Joachim Gögl – nein, eigentlich das Publikum – nur beglückwünschen, dass ein solch außergewöhnliches Konzertereignis in Feldkirch zu erleben ist.

Der Saal des Montforthauses ist als neuer zu begehen, nämlich vom hinteren Bereich, abgeschottet durch eine dunkle Wandscheibe, wo eine Art Tribüne aufgebaut ist. An beiden Seiten ein Spalt, der dunkle Raum fordert Langsamkeit, mystisch das Bild der drei Musiker an geheimnisvollen Instrumenten, lange farbige Schatten werfen sie, die rundherum wandern. Mystisch auch die Sanduhr, Zeit verrinnt, nach vier Stunden wird sie gewendet. Sofas, Polstersessel arrangieren sich wie von selbst, rücken zusammen, halten Abstand, Menschen kommen und gehen, breiten sich aus, finden Joga-Matten und Decken, bewegen sich im Rhythmus, legen sich zur Ruh … 

Der Klangraum hält – trägt – 24 Stunden durch. Für die Musiker gibt es eine Zeremonie, wenn einer aus dem Kreis tritt, ein zarter Glöcklein-Klang. Und mitunter bleiben Soli, die zeitenlos sind, wenn der Drummer und Perkussionist Nicolas Stocker in meditativen Groove leitet, der Altsaxophonist und Bassklarinettist Sha noch andere Klangkörper zum Schwingen bringt, der geniale Musiker Nik Bärtsch dem Steinway Flügel und der Celesta ungehörte Töne entlockt.

Zu Mitternacht wieder eines der Schwerpunktkonzerte. Nik Bärtsch spricht von einem klaren dramaturgischen Bogen, dem ein 24-Stunden Ritual folgt, mit Verdichtungen, die wie Magnete – am ehesten noch konventionelle Konzerte – funktionieren, die sich dann modular über lange Sequenzen minimalistisch weiterentwickeln. Die folgenden Stunden begeben sich Musiker wie Lauschende in einen ausgedehnten meditativen Space, Bewusstseinslevel changieren zwischen Traum und Wachheit, in freien nur noch durch Farben definierten Räumen und bequemen Polstersesseln, getragen in einen gemeinschaftlichen Trancezustand.

Abtauchen in andere Sphären

"Purpurnes Licht über der Oase. Drei Sternenwesen halten in traumwandlerischer Verbundenheit ihr Instrumentarium am Köcheln. 24 Stunden, jenseits von Zeit. Feine, weiße Nebelschwaden streichen über das Gelage. Die Klangmagier ferner Galaxien lassen ihre Schätze tönen, schmettern und singen. Sie spannen einen heiligen Raum auf. Dessen Kraft und Stille locken Reisende an, diese halten inne, sind verführt zu bleiben, zu hören und lassen sich in weichen Polstern und samtenen Liegen nieder. Die Musik verzaubert, nimmt sie mit zur inneren Welt fantastischer Bilder. Karawane, unendlicher Wüstenstrich, und dann – Isfahan! Ein perlender Fluss trägt über Kaskaden, spült sie ins Meer, dort tauchen sie mit Esbjörn Svensson seinen letzten Gang, warten auf Godot, hören dabei die Zeit unaufhörlich ticken, Kanonen grollen. Sie finden sich bei Alice in Wonderland wieder, Bartleby will das Telefon nicht abheben. Die Puppenhäuser in Heredity erschrecken und der nordische Winter klirrt. So flüchten sie nach Sendai, Kirschbäume blühen. Samba macht sie tanzen, Afrika auch. Manchmal verschwindet einer der Magier im Steinway, holt elfenbeinfarbene Perlen und stöhnendes Kratzen hervor. Jenseits von Zeit, an einem regnerischen Novembertag in Feldkirch, geschehen noch Zeichen und Wunder …", schreibt Marina Hämmerle.

Nik Bärtsch´ "Mobile": 24-Stunden Musik-Ritual
Nik Bärtsch, Piano
Sha, Bassklarinette, Altsaxophon
Nicolas Stocker, Drums & Perkussion
Daniel Eaton, Szenograph