Minimalism Germany 1960s

Die Ausstellung "Minimalism Germany 1960s" zeigt wichtige Tendenzen abstrakter Kunst der 1960er Jahre in Deutschland aus der Daimler Kunst Sammlung: Konstruktivismus, Zero, Minimal Art, Konzept und Serialität. Von Vorläufern der 1950er Jahre ausgehend – wie Josef Albers, Norbert Kricke, Herbert Zangs, Siegfried Cremer – reflektiert die Schau abstrakte Kunstentwicklungen in den Städten Frankfurt, Düsseldorf und Krefeld, Stuttgart, Berlin, München und blickt auch auf angrenzende Schweizer Positionen. Vorgestellt werden rund 60 Werke von 25 Künstlerinnen aus dem Zeitraum von 1954 bis 1974.

Bedingt durch die tiefe Zäsur der restaurativen Kunstpolitik im Nazideutschland musste eine junge Künstlergeneration im Nachkriegsdeutschland den Anschluss an die abstrakten Avantgarden der 1910er bis 1930er Jahre neu suchen. Zugleich musste eine Formensprache entwickelt werden, welche das künstlerisch Erreichte auf die aktuelle kulturelle und politische Situation hin reflektierte und Antworten suchte auf die sukzessive bekannt werdenden Tendenzen amerikanischer Kunst. Erste wichtige Brückenschläge in diese Richtung waren die Auseinandersetzung mit den theoretischen Schriften von Willi Baumeister ("Das Unbekannte in der Kunst", 1947) und Paul Klee (seine Schriften zur Form- und Gestaltungslehre erschienen 1956 unter dem Titel "Das bildnerische Denken") sowie die Aufarbeitung der deutschen Bauhaus-Tradition seit Anfang der 1950er Jahre.

In den 1960er Jahren konnte sich in Deutschland, zunächst weitgehend unabhängig von amerikanischen Entwicklungen der Zeit, ein eigenständiger Minimalismus entwickeln, vielfach unmittelbar angeregt von und in Auseinandersetzung mit den Ausläufern der Konkreten Kunst und der europäischen Zero-Avantgarde, die seit 1957 von Düsseldorf ausgehend mit ungewöhnlich inszenierten Ausstellungen und spektakulären Projekten für den öffentlichen Raum die Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Stelen, Kuben, im Raum liegenden oder vor der Wand stehenden Bildobjekte der Zero-Künstler repräsentierten um 1959/60 für die deutsche Kunst einen qualitativ wichtigen neuen Schritt.

Für den Übergang zu einem spezifisch deutschen Minimalismus war im weiteren die Düsseldorfer Kunstakademie 1962 bis etwa 1970 von großer Bedeutung. 1961 übernahm hier Joseph Beuys den Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei; sein ab 1957 unter anderem im Kontext seiner Aktionen angelegtes plastisches Vokabular reduzierter Alltagsformen – Kisten, Filz- und Eisenplatten, Eisenwinkel, Vitrinen, einfache Regale, Tuchobjekte, Metallkuben – bildete für viele seiner Studenten in den 1960er Jahren die Basis der Auseinandersetzung mit einem minimalisierten bildhauerischen Inventar. In der Klasse von Karl Otto Götz entwickelte der junge Franz Erhard Walther ab 1962 an der Düsseldorfer Akademie seine ersten protominimalistischen Objekte, ihm folgten 1964/65 Imi Knoebel, Imi Giese und Blinky Palermo als Schüler von Beuys. Parallel formulierten Hanne Darboven in Hamburg als Schülerin des Zero-Künstlers Almir Mavignier, Charlotte Posenenske in Offenbach (sie war 1951/52 Schülerin von Willi Baumeister in Stuttgart) und, außerhalb akademischer Zusammenhänge, Peter Roehr in Frankfurt erste Ansätze ihres minimalistischen Werks.

Einige Momente wären in diesem Kontext noch zu erwähnen, die jedoch in der Ausstellung keine Berücksichtigung finden. 1964 verbrachte Eva Hesse nach ihrem Studium in den USA ein Arbeitsjahr in Köln, hier realisierte sie im Sommer ihr erstes Bildobjekt: Durch die Öffnungen eines gefundenen alten Drahtgeflechts zog sie Schnüre und bedeckte diese mit Gips. Aus einer Auseinandersetzung mit Konstruktivismus und Suprematismus entstanden 1964/65 die ersten strukturell angelegten Bilder Blinky Palermos, gefolgt 1967 von einer Serie gleichformatiger Bildobjekte mit Stoff über Keilrahmen und minimalistischen Wandobjekten. Ebenfalls 1966 begann Reiner Ruthenbek an der Minimalisierung seines Formenvokabulars zu arbeiten, es entstanden die Werkgruppen der Leitern, Löffel und Schirme – nicht zufällig ist es Franz Erhard Walther, der für dieses frühe Werk schon 1966 in Fulda eine Ausstellung organisieren konnte. Wenn in Walthers Fuldaer Raum von 1963 die Initiation eines spezifisch deutschen Minimalismus gesehen werden kann, dann definierte der Hartfaserraum Raum 19 von Imi Knoebel und Imi Giese hier 1969 einen vorläufigen Höhepunkt: Dieser konstituierte sich aus plastisch-konstruktiven Grundformen wie Kuben, Rechteckplatten und Bogensegmenten, die sich auf dem Boden und an den Wänden stapelten und den Umraum zu einem begehbaren Gefüge strukturieren.

Minimalism Germany 1960s
12. März bis 30. Mai 2010