Menschenskind Dagmar Manzel!

9. April 2014 Rosemarie Schmitt
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Friedrich hieß zwar hinten so, war aber kein Hollaender. Marlene war ja auch kein Dietrich, weder hinten noch vorne. Aber Marlene Dietrich hat Friedrich Hollaenders Lieder gesungen. Das bekannteste war und ist ohne Zweifel "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Friedrich Hollaender (1896-1976) wurde in London geboren, doch seine Familie stammte aus Berlin. Sein Vater war ein recht erfolgreicher Operettenkomponist und seine Mutter Revuesängerin in einem Zirkus.

In den 1920er Jahren wurde Friedrich Hollaender eine feste Größe in der Berliner Kulturszene. Er traf mit Gleichgesinnten wie Kurt Tucholsky, Klabund, Joachim Ringelnatz und der jungen Schauspielerin Blandine Ebinger zusammen, um ein Kabarett zu gründen. Blandine Ebinger begleitete er nicht nur am Klavier. Die beiden heirateten und bekamen 1925 eine Tochter namens Philine. Jene heiratete später, indes mit 16 etwas zu früh, Georg Kreisler (ebenfalls mit 19 Jahren weder erwachsen noch bekannt). Sie bekamen einen Sohn und trennten sich alsbald.

Ja, so ist das mit den Genen und so ist das Leben - oder so. Und wie das Leben ist, wie es so spielt wenn es ist, wie es sein kann wenn man kann, dazu sage ich nur: Menschenskind nochmal! Ja, und nochmal und nochmal und immer wieder gerne. MENSCHENsKIND, so heisst nämlich das Debütalbum der Schauspielerin Dagmar Manzel (Deutsche Grammophon), welches sie eben jenem Revue- und Kabarettkomponisten Friedrich Hollaender widmet.

Es gibt Lieder, die Schauspieler besser in der Lage sind zu interpretieren, als klassisch ausgebildete Sänger. Vorausgesetzt jene Schauspieler verfügen über Musikalität und eine schöne Stimme. Diese Voraussetzungen hat ganz ohne jeden Zweifel Dagmar Manzel, und nicht nur diese. Es ist reine Geschmacks- und Empfindungssache, eine Meinung, die sich aus jeder ganz eigenen individuellen Vergangenheit ergibt, was gefällt und was weniger.

Habe ich die Wahl zwischen der Interpretation von Marlene Dietrich und Dagmar Manzel (und die habe ich ja nun!), so entscheide ich mich für die Zweitgenannte, denn für mich steht sie an erster Stelle. Ihre Stimme klingt weniger verrucht als die der Dietrich. Manzel singt und erzählt ernsthaft und heiter, unnaiv erwachsen, sanft indes bestimmt, bitterböse und zuckersüß, taktvoll- und los. Sie macht nicht an, sondern aufmerksam. Was die Lieder von Hollaender betrifft, so hörte ich bei Dagmar Manzel zum ersten Male so richtig hin, hörte wirklich zu, weinte und lachte mal still und heimlich, mal laut und unheimlich.

Wenn Sie die Texte von Kurt Tucholsky mögen, die von Joachim Ringelnatz oder Christian Morgenstern, wenn Sie über diesen speziellen Humor verfügen, und die Filme wie "Das Leben des Brian" oder "Harold und Maude" fürchterlich komisch finden, ja MenschensKind, dann hören Sie sich endlich an, wie Dagmar Manzel die Lieder des "lachenden Melancholikers" (wie er sich selbst nannte) Friedrich Hollaenders singt!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt