Mark Leckey. Als ob

Flamboyant und dandyhaft - so lassen sich die ersten Werke von Mark Leckey beschreiben. Mit dem Video "Fiorucci Made Me Hardcore", einer Ode an die britische Dancehall- und Clubkultur der 1970er- bis späten 1990er-Jahre, hatte Mark Leckey 1999 seinen Durchbruch. Anschließend nahm seine künstlerische Laufbahn Tempo auf: Fünf Jahre nach seiner ersten Einzelausstellung im Migros Museum in Zürich (2003) gewann Mark Leckey 2008 den Turner Prize für Ausstellungen in Köln und Dijon.

Dabei war der 1999 erlangten Bekanntheit eine fast zehnjährige Abstinenz vom Kunstbetrieb vorausgegangen: Nach seinem Abschluss am Newcastle Polytechnic (1990) und bis 1999 entstanden nur wenige Arbeiten, z.B. "The Model" (1994) und "Are You Waiting" (1996); letztere wurde länger nicht gezeigt und ist Teil der Ausstellung.

Die künstlerische Produktion der 1980er-Jahre war Mark Leckey oft zu distanziert und ironisch; Werke "kritischer Desinteressiertheit", wie sie damals üblich waren, wollte er selbst nicht schaffen und entschied, den eigenen autobiografischen Hintergrund als Material zu benutzen. Dieser dient als Schablone, in der auch jeder andere Themen wiedererkennen kann, die seine eigene Biografie geprägt haben: z.B. die Veränderung der Medien und damit auch unserer Kommunikation.

Mark Leckey erzählt also mit seiner spezifischen Geschichte auch die einer Jugendkultur; Alex Kitnick spricht im Katalog von "everybody‘s autobiography". "Was der Titel […] für mich bedeutet, ist diese Investition von Energie in etwas, das so kitschig und kommerziell ist wie ein kurzzeitig angesagtes Paar Jeans […]", sagt Mark Leckey über "Fiorucci Made Me Hardcore", "und dieser Glaube an die Marke, dass sie irgendwie einen "Lebensstil" symbolisiert, wird fast etwas Heiliges."

Der Film ist eine 15 min lange Chronik von den Northern-Soul-Partys der 1970er- bis zu den Raves der späten 1990er-Jahre: Jugendliche bewegen sich selbstvergessen bis ekstatisch zur Musik, in geräumigen Dancehalls wie in kleinen Studios. Mark Leckey selbst, 1964 in der Nähe von Liverpool geboren, kam für die Northern-Soul-Partys knapp zu spät. So spricht aus dem Footage-Material, das er damals noch aus Archiven zusammentragen musste, auch die Nostalgie, vollkommen in dem kollektiven Erleben der Musik aufzugehen.

Von Mark Leckeys neuestem Video wird im Haus der Kunst eine erste Roh-Version gezeigt. Die Handlung setzt 1954 ein, zehn Jahre bevor Leckey auf die Welt kam, mit der Geburt von Rock‘n‘Roll als Vaterfigur, und endet 1999 mit der Bedrohung durch das Jahr-2000-Problem, den Millennium-Bug. Wie auf einem Album mit verschiedenen Tracks erzählt Mark Leckey Stationen der Entwicklung: das Erwachen erotischen Begehrens, als er seine "Tante" im Schlafzimmer beobachtet, oder die Suche nach einer Spur, die zu ihm selbst führt – ein Joy Division Matinee-Konzert, das er 1979 besucht hat und das jetzt auf YouTube zu sehen ist.


Mark Leckey. Als ob
30. Januar bis 31. Mai 2015