Margot Pilz - Selbstauslöserin

Die 1936 in Haarlem (Niederlande) geborene, seit 1953 in Österreich lebende Künstlerin Margot Pilz zählt seit den frühen 1980er-Jahren international zu den bedeutenden feministischen Künstlerinnen.

Pilz ist eine Pionierin der Medienkunst und arbeitet konzeptuell und experimentell im Bereich Fotografie, Video, digitale Skulptur, Performance und Installation. In den 1970er-Jahren ist Pilz als Fotografin tätig und engagiert sich in der Frauenbewegung. Ihre Festnahme von der Polizei beim dritten Frauenfest 1978 in Wien und der entwürdigende Umgang mit ihr ist eine Initialzündung zur Arbeit als Künstlerin. Die wesentlichen Schwerpunkte ihrer Arbeit – die Auseinandersetzung mit dem Individuum im Verhältnis zur Gesellschaft, die Stellung der Frau und ganz existenzielle Fragestellungen – ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr über 40 Jahre umfassendes Werk.

In den frühen Sekundenskulpturen und der konzeptuellen Fotoarbeit "Weiße Zelle" (1983-85) thematisiert Pilz die Enge, das Ausgeliefertsein und das Verschwinden. Sie sieht das Auflösen des Ich als Metapher für die Situation der Frau und des Individuums in der Gesellschaft dieser Zeit. Sie zählen heute zu den bedeutenden Kunstwerken der internationalen feministischen Avantgarde.

In der zentralen Halle der Kunsthalle Krems zeigt Pilz eine Installation, die sich auf ihre Arbeit Kaorle am Karlsplatz bei den Wiener Festwochen aus dem Jahr 1982 bezieht. Rund um das Wasserbecken vor der Karlskirche ließ Pilz damals einen Strand mit einer Palme aufschütten. Der öffentliche Raum wurde von Künstler_innen, Performer_innen und Stadtbewohner_innen sinnlich in Besitz genommen – und das ohne kommerzielle Nutzung. Für Krems wird eine ernüchternde neue Version im Wissen um die Zerstörung der Natur realisiert. Eine Strandinsel im geschlossenen Raum, der Strand nicht aus Sand, sondern aus Mikroabfällen und Plastikmüll.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden ihre innovativen Arbeiten im Bereich der Medienkunst aus den frühen 1990er-Jahren. Videos, Ausdrucke und Medienskulpturen zeigen, wie neugierig und experimentell Pilz mit den damals neuen Medien arbeitete. Sie war eine der ersten, die sich intensiv mit den Möglichkeiten des Einsatzes von Computern für die künstlerische Arbeit auseinandersetzten. Diese Arbeiten sind von einer heute sehr speziell anmutenden Ästhetik, die aus den damals vorhandenen Möglichkeiten resultierte, eindrucksvolle Zeugnisse eines Aufbruchs. Thematisch wird dabei auch das Engagement von Pilz für gesellschaftspolitische und ökologische Fragestellungen deutlich.

Skulptur und Installation im Raum haben Margot Pilz neben ihrer Fotografie und Videoarbeit immer besonders interessiert. Beispielhaft werden in der Ausstellung Arbeiten aus allen Schaffensperioden gezeigt, auch aktuelle Keramikskulpturen, die stark abstrahiert und reduziert den Körper im Raum behandeln. Die Neonskulptur "Göttin" schuf Eva (2021), die Pilz eigens für die Ausstellung konzipiert, zeigt eine feministische Neudeutung der Schöpfung in Anlehnung an Michelangelos berühmtes Fresko in der Sixtinischen Kapelle. Über 40 Jahre nach ihren ersten Arbeiten ist die Notwendigkeit, sich als Künstlerin mit der Stellung der Frau auseinanderzusetzen nicht geringer geworden. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich zwar geändert, manches ist erreicht worden, aber die Situation und die Nicht-Gleichstellung der Frauen sind für Pilz auch heute noch von hoher gesellschaftlicher Relevanz.

In den letzten Jahren hat sich Pilz mit ihrem Altwerden beschäftigt. Es entstehen eindrucksvolle Foto und Video Arbeiten, die sich durchaus schonungslos mit dem Prozess der körperlichen Veränderung und des eigenen Umgehens damit auseinandersetzen. Die Arbeiten haben eine ungeheure Kraft, sind nicht wehleidig, beschönigen nichts und zeugen von großer Neugier und ungebrochenem künstlerischen Elan. Sie verhandelt mit diesen Arbeiten existentielle Fragestellungen wie "Wer bin ich?" oder "Wie ist mein Verhältnis als Individuum zur Gesellschaft?" Ebenso untersucht sie, welche Auswirkungen die Rollenzuweisungen an Frauen auf die eigene Persönlichkeit haben.

Margot Pilz. Selbstauslöserin
23. Oktober 2021 bis 3. April 2022
Kurator: Andreas Hoffer