Made in Oceania

Was verbindet den Entdecker James Cook, die Meuterer der Bounty und etwa 15 Millionen Menschen in Ozeanien? Ein einzigartiger Stoff, hergestellt aus Baumrinde. Ob als Kleidungsstück in Hawaii, als Ritualmaske in Papua-Neuguinea oder als Raumteiler in Fidschi, ob als wichtige Gabe bei Hochzeiten in Samoa oder sogar als "roter Teppich" bei Krönungszeremonien in Tonga - Tapa ist im Pazifik allgegenwärtig und die materielle Ausdrucksform pazifischer Identität. Dennoch ist dieser faszinierende Stoff hierzulande bisher kaum bekannt.

Die Sonderschau "Made in Oceania: Tapa - Kunst und Lebenswelten" präsentiert auf insgesamt knapp 1400 Quadratmetern Ausstellungsfläche einzigartige Kunstwerke aus dem Museumsbestand, kostbare Leihgaben aus europäischen Museen und bisher in Europa noch nie gesehene Leihgaben aus dem neuseeländischen Nationalmuseum in Wellington und dem Australian Museum in Sydney. Dabei reicht die Zeitspanne von den ältesten Objekten aus dem 18. Jahrhundert - der Cook-Sammlung - bis zu rund 35 Werken zeitgenössischer Künstler aus Polynesien und Melanesien wie zum Beispiel John Pule, Fatu Akelei Feu"u, Michel Tuffery, Shigeyuki Kihara, Dagmar Dyck, Timothy Akis oder Mathias Kauage. Die gezeigten Rindenbaststoffe stammen aus Papua-Neuguinea, den Salomonen und Vanuatu, aus Samoa, Tonga, Futuna, Niue und Fidschi.

Als besonderes Highlight stimmt die Fotoarbeit "Ocean III" von Andreas Gursky die Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung auf die Region Ozeanien ein. Gursky verwendet in dieser Arbeit hochauflösendes Satelliten-Material und ergänzt es mit diversen Bildquellen aus dem Internet. Satelliten-Fotos beschränken sich auf die Wiedergabe scharf umrissener Landmassen; Wasserflächen werden dagegen meist vernachlässigt. Für "Ocean III" erzeugte Gursky daher die Übergangszonen zwischen Land und Wasser sowie auch die weite Fläche des pazifischen Ozeans vollständig künstlich. So rückt er ins Zentrum, was die Kartografie nur schematisch und am Rande behandelt, weil es ökonomisch kaum nutzbar ist: das Meer. Im gleichen Ausstellungsbereich symbolisiert eine etwa drei Quadratmeter große Tapa aus Tonga die Seefahrts- und Besiedlungsgeschichte des Pazifiks.

Historische Originalobjekte von James Cook und Georg Forster stellen die "Entdeckungsfahrten" des späten 18. Jahrhunderts vor und führen die Besucher in die Ausstellung ein. In Europa wurde die erste Begegnung zwischen Europäern und den Bewohnern der pazifischen Inseln bisher meist nur aus westlicher Perspektive erzählt - Michel Tuffery, ein neuseeländischer Künstler mit samoanischen Wurzeln, stellt in einer raumgreifenden Installation seine polynesische Perspektive dar und bricht so mit der in Europa üblichen Sichtweise. Der Dialog zwischen westlichem und ozeanischem Blickwinkel bildet ein Grundprinzip der Ausstellung.

Der Rolle von Tapa in der historischen Studiofotografie des 19. Jahrhunderts ist ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet. Das in Europa unbekannte Material wurde für die Inszenierung und Exotisierung der porträtierten Inselbewohner genutzt. Hier kontrastieren ausgewählte Beispiele aus dem historischen Fotoarchiv des RJM mit Fotoarbeiten der neuseeländischen Künstlerin Shigeyuki Kihara, die 2008/2009 eine Einzelausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York hatte.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Tapa aus Melanesien, Polynesien und der Übergangsregion Fidschi. Teils thematisch, teils regional zusammengestellt, ermöglicht die Ausstellungsgestaltung, sowohl die Aura einzelner Kunstwerke hervorzuheben als auch ausgewählte Objekte in Szene zu setzen. Zentrale Themen der Ausstellung sind Gabentausch, Ausdrucksformen von Religion, Auswirkungen des Tourismus auf die Stellung von Mann und Frau oder auch Wandel und Kontinuität der Objekte (z.B. Kleidung) ehemals unter dem Einfluss von Mission und Kolonialisierung, heute im Rahmen der Globalisierung. Immer wieder neu wird dabei der Zusammenhang von Tapa und Identität in den Ursprungs- und Diasporagesellschaften beleuchtet. Die verschiedenen Ausstellungsstationen ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern individuelle Zugänge auf vielfältigen Wahrnehmungs- und Bedeutungsebenen.

Das "Fidschi-Haus", eine zeitgemäße Interpretation eines historischen fidschianischen Versammlungshauses, ist zugleich Verweilplatz für die Besucher als auch Veranstaltungsort für das hochkarätige Rahmenprogramm der Ausstellung. Hier findet sich auch die größte Tapa der Ausstellung, ein fast 60 Quadratmeter großer Raumteiler aus Fidschi. Die Herkunft dieses einmaligen Objektes aus dem späten 19. Jahrhundert ist spannend beschrieben und zeigt die Verbindung zu bedeutenden Akteuren der fidschianischen Geschichte.

Den krönenden Abschluss der Ausstellung bilden ausgewählte zeitgenössische Kunstwerke, bei denen sich Künstlerinnen und Künstler aus Polynesien und Melanesien gezielt mit Tapa auseinandergesetzt haben. In ihren Arbeiten bedienen sie sich der historischen Bildsprache, der Funktionen und/oder des Materials und stellen Tapa in neue Kontexte. Die Arbeiten sind geografisch gehängt, grenzen jeweils an die regionalen Bereiche und führen diese durch die Perspektive Kunst wieder zusammen. Mit diesem unmittelbaren und intuitiven Zugang zu Kultur und Identität entlässt der Ausstellungsrundgang die Besucher in die Gegenwart.

Made in Oceania
Tapa - Kunst und Lebenswelten
12. Oktober 2013 bis 27. April 2014