M8 in China

Der chinesische Architekturmarkt zählt zu den dynamischsten der Welt: Allein 41 "supertall towers" (Definition: über 300 Meter Höhe) sind derzeitig in der Volksrepublik im Bau. Und doch ist private Architekturpraxis vergleichsweise neu in China – erst seit 1994 ist die Gründung privater Architekturbüros erlaubt. Noch in den neunziger Jahren landeten ausländische Architekten auf der Suche nach einem Joint-Venture-Partner bei einem der über 10.000 staatlichen Designinstitute wie dem ECADI (East China Architectural Design & Research Institute Co., Ltd) und dem SIADR (Shanghai Institute of Architectural Design and Research) mit ihren jeweils über 1.500 Mitarbeitern.

Die Ausstellung "m8 in China" widmet sich den kleinen, flexibel agierenden Büros, deren Mitglieder zum großen Teil im westlichen Ausland studiert haben, sich in Wettbewerben behaupten, internationale Netzwerke pflegen und damit auch das eigentliche Entwicklungslabor der zeitgenössischen chinesischen Architektur darstellen. Unter dem Schirm des Gastlandes China der Internationalen Buchmesse 2009 und dessen Motto "Tradition und Innovation" werden neue Tendenzen in der aktuellen chinesischen Architektur aufgespürt.

Zu den acht Architekten, die im dritten Obergeschoss des Hauses präsentiert werden, zählt das Büro Amateur Architects aus Hangzhou (gegr. 1998), das mit seinen Bauten aus wieder verwendeten Abbruchziegeln zu den stärksten Stimmen des Landes gezählt werden muss. Bereits auf der letzten Architekturbiennale 2008 in Venedig sorgten sie mit einer Installation für internationales Aufsehen. standardarchitecture (gegr. 2002) aus Bejing schaffen Bauten, in denen sich regionale Kontextbezogenheit und sorgfältige Materialverwendung mit aktuellen Raumdispositionen paart.

Auch Jiakun Architects aus Chengdu/Sichuan (gegr. 1999) machten mit ihren Ziegelforschungen auf der Architekturbiennale Venedig 2008 von sich reden: Aus dem Schutt des "Großen Erdbebens von Sichuan" vom 12. Mai 2008 fertigten sie ein neues günstiges Ziegelprodukt, das durch die eingewirkten Strohfasern genügend Zugfestigkeit für das Bauen in Erdbebengebieten bietet. Tong Ming, Professor an der Shanghaier Tongji Universität (Bürogründung 2000) realisiert kleinere Projekte mit Hingabe zum Detail, wie das schmale schattendurchwirkte Tea House Suquan Yuan in Suzhou, das als Auftakt einer noch zu entwickelnden Siedlung auf sich aufmerksam macht.

Die Architekturfakultät der Tongji Universität wurde vom Büro Atelier Z+ aus Shanghai (gegr. 2002) entworfen - ein räumlich komplexes und vielschichtiges Einzelbauwerk, in dem junge Architekten täglich die Kunst räumlicher Zusammenhänge studieren können. MA Qingyun, der im Westen bekannteste Architekt innerhalb dieser Gruppe und ehemaliger Dekan des Architekturfachbereichs der University of Southern California leitet das Shanghaier Büro MADA s.p.a.m. (gegr. 1996). Seine Bauten, wie etwa das Verwaltungsgebäude für den extravaganten Projektentwickler SOHO, verblüffen durch stilsichere Vielfalt.

Das Pekinger Büro Studio Pei-Zhu (gegr. 2005) zählt ebenfalls zu den im Westen bekannteren: das Studio für den Künstler Cai Guo Qiang in einem ehemaligen Pekinger Hutong (=traditionelle eingeschossige Wohnbebauung entlang einer engen Gasse) könnte eine Trendwende für diese im Stadtbild fast komplett ausgelöschte Typologie einleiten. Das einzige allein von einer Frau geleitete Büro ist das DnA_Design and Architecture, Peking (gegr. 2004) von XU Tiantian. Eines ihrer ersten, international beachteten Projekte ist das Ordos Art Museum, das 2007 in Form einer topografischen Studie in der inneren Mongolei realisiert wurde.

Alle acht Architekturbüros zeichnen sich durch die Hinwendung zu regionalen Typologien, durch die Einzigartigkeit des ortsspezifischen Kontexts und die Wiederentdeckung traditioneller Handwerkstechniken aus und unterscheiden sich darin von den Planungen staatlicher Designinstitute, die von der chinesischen Traditionen oftmals losgelöste spektakuläre Bauten in den Megastädten des Landes errichten.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Jovis Verlag, Berlin.


M8 in China. Zeitgenössische chinesische Architekten
29. August bis 1. November 2009