Lohengrin – eine musikalische Sternstunde bei den Salzburger Osterfestspielen

20. April 2022 Martina Pfeifer Steiner —
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Christian Thielemann hebt Wagners dritte und letzte "romantische Oper" in höhere musikalische Dimensionen. Dass am Ostermontag dann wirklich alle im Großen Festspielhaus nach Verklingen des letzten Akkords förmlich aufsprangen und frenetisch applaudierten, war aber auch seinem Abschied als Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele in Salzburg gezollt. Mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden war Thielemann seit 2013 – ganz im Sinne des Gründers Herbert von Karajan – das Orchester in residence.

Wie sollen Worte ausdrücken, was ein Musizieren auf diesem Niveau an Erlebnis, Emotion, Spannung auslösen kann. So sei mit einer Passage aus dem Buch "Mein Leben mit Wagner" beholfen, in dem Christian Thielemann schreibt: "Wer die Partitur studiert, merkt, mit welcher unglaublichen Vorstellungskraft Wagner hier zu Werke geht, mit wie viel Poesie, Handwerk und Chuzpe! Wagner wollte keine Stufen erklimmen, sondern Farben mischen. Das macht er im Lohengrin mit dem großen Orchesterpedal, dem Rauschen aller Instrumente, von ganz oben bis nach ganz unten und wieder hinauf, von den Haar- bis Zehenspitzen und über die Eigenweide wieder zurück – einzigartig!" Und genau das schenkte der Dirigent dem Publikum.

Da kann das für die Inszenierung zuständige Trio – Jossi Wieler, Anna Viebrock, Sergio Morabito – mit ihren Bemühungen "einen Thriller" aus der Oper zu machen, nicht mithalten. Es wäre zwar eine reizvolle Perspektivenverschiebung, Elsa als die Schuldige für den Mord an ihrem jüngeren Bruder vorzuführen und Ortrud, Gemahlin von Telramund, die Rolle der integren Zeugin zuzuweisen, die Erzählung funktioniert jedoch schon aufgrund des Librettos nicht. Wenn nämlich Lohengrin, der Sohn des Gralskönigs Parzifal, seinen Namen und Herkunft preisgeben und wieder vom Schwan abgeholt werden muss, ruft Ortrud triumphierend aus, sie habe den Schwan wohl als den verschwundenen Gottfried erkannt, den sie selbst verzaubert habe. "Am Kettlein, das ich um ihn wand, ersah ich wohl, wer jener Schwan: es ist der Erbe von Brabant!"

Mit den gedanklichen Ansätzen von Regie, Bühnen- und Kostümbildnern will man sich eigentlich nicht weiter beschäftigen, zu hochkarätig sind Sängerinnen und Sänger, als dass man sich ablenken lassen wollte: vom plumpen Auftreten des Lohengrins mit fettig wirkenden langen Haaren, im fetzigen Kreuzfahreroutfit, oder von Elsa, die ebenfalls immer wieder über Absperrungen klettern muss und gar keine Ernsthaftigkeit bzw. Ergriffenheit zeigen kann, oder von den unzähligen Choristen (drei Chöre werden hier zusammengeführt, das ergibt einen unglaublichen Sound!) und Statisten, die am Anfang noch in verwirrenden Kleidungsstilen aus mehreren Epochen, am Ende uniformiert als Soldaten und Krankenschwestern die Bühne füllen.

"Nie sollst du mich befragen, noch Wissens Sorge tragen, woher ich kam der Fahrt, noch wie mein Nam’ und Art." Der Nachklang hält lange an. Was für musikalische Sternstunde am Festspielfirmament! Thielemann geht, Nikolaus Bachler kommt. Ob dessen Konzept, jedes Jahr ein anderes Spitzenorchester zu Ostern nach Salzburg zu locken, aufgeht, muss sich erst zeigen. Angekündigtes Highlight ist jedenfalls Romeo Castelluccis "Tannhäuser"-Produktion, die bereits 2017 an der Bayerischen Staatsoper lief, mit Jonas Kaufmann, Marlis Petersen und Elīna Garanča, am Pult des Leipziger Gewandhausorchesters wird Andris Nelsons stehen.