Lisa Kränzler und Simon Czapla - Gemalter Dialog über den Roman "Coming of Karlo"

In der Ausstellung "CK’23" im Kunstverein Konstanz führen die Malerin Lisa Kränzler und der Maler Simon Czapla in ihren Arbeiten einen Dialog über den viel beachteten Roman "Coming of Karlo", der als Text zu toxischen Rollenbildern und entgleister Selbstfindung gelesen werden kann. Er stammt von Kränzler selbst, erschien 2019 und steckt ebenso in den Kürzeln des Ausstellungstitels wie die Initialen der beiden Kunstschaffenden. Die schreibende Malerin, eine gebürtige Ravensburgerin, und ihr Künstlerkollege, ein gebürtiger Konstanzer, kennen sich bereits aus dem Kunststudium und treffen nun als fast Vierzigjährige für dieses gemeinsame Ausstellungsprojekt erneut aufeinander.

Czaplas Portraits mit menschlichen Protagonisten zeigen stets physische Verletzungen und teils verstörende psychische Zustände. Dies jedoch nur auf den zweiten Blick. Oberflächlich scheint oftmals ein Idealzustand dargestellt, ein Trugschluss, der durch die eingebrachten Ornamente im Bild zusätzlich provoziert wird. Diese Differenz zwischen Erwartungshaltung und Innensicht der Protagonisten, zwischen Zuschreibung und individuell gefühltem Zustand erinnert an die Hauptfigur in Kränzlers Roman, Karlo, der sich mit den typischen Attributen männlicher Stereotypen tarnt und gleichzeitig physisch und seelisch verletzt ist, so dass das drohende Unheil greifbar wirkt. Czaplas künstlerische Handschrift erscheint daher wie gemacht zur Bezugnahme auf den Roman.

Die Arbeiten der beiden Kunstschaffenden unterscheiden sich stilistisch sehr, doch sieht Czapla Gemeinsamkeiten seiner Werke mit Kränzlers Texten: Diese beschreibt er als "riesige, detailreiche Sprachteppiche", jene als "großformatige Bilder von kleinteiliger Stofflichkeit in altmeisterlicher Anmutung". Und so sind die Tiere, die Czapla regelmäßig als Protagonisten wählt, naturgetreu dargestellt. Gleichzeitig sind sie jedoch in menschliche Kleidung gehüllt, tragen Accessoires als Attribute und stehen vor abstrakt gehaltenen Hintergründen. Somit sind die Tiere zweifellos Symbolträger. Im Gegensatz zu Fabeltieren sollen sie jedoch keine allgemein anerkannten Wahrheiten über Menschen darstellen. Stattdessen sollen Betrachtende beim Entschlüsseln der Tiersymbole und Attribute erkennen, dass Identitäten konstruiert werden, und zwar im Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdbestimmung. Deshalb trägt die Schildkröte einen sternförmigen Luftballon unter Wasser mit sich und der Hai eine Goldkette mit einem Haifischzahn als Anhänger. Damit greift Czapla zugleich den aktuellen Diskurs darüber auf, was Realität ist, und verdeutlicht, dass es verschiedene Wirklichkeiten gibt, da diese jeweils durch subjektive Interpretationen entstehen. Auch beteuert er, dass er Tiere und Menschen als Teil der Natur begreift, stellt sich damit gegen ein Denken in Natur- und Kulturwesen und bezieht somit Stellung in einem weiteren aktuellen Diskurs, der auf die Aufwertung der Tiere abzielt und gegen ein Denken in binären Strukturen – also ein Denken in den Kategorien "wir" und die "anderen"– das als Ergebnis stets die Ausgrenzung des "anderen" hervorruft.

Die Malweise der "Malerdichterin", wie Czapla seine Kollegin Kränzler nennt, zeichnet sich durch einen ausdrucksstarken Pinselstrich aus, der wie die Sprache in ihren Texten weich und voller Zärtlichkeit, aber auch kantig und schroff ausgestaltet sein kann. Für Kränzler sind bildende Kunst und Literatur eine Einheit und so ruft sie einerseits mittels Sprache starke Bilder auf und lässt andererseits Schrift in ihre Bilder einfließen. Die Schrift und die Auflösung der räumlichen Ordnung im Bild lassen an die Darstellungsweise in Cartoons denken. Als Material verwendet sie Papier und Industrielack. Der weiche Malgrund wird dabei einem schroffen Farbauftrag ausgesetzt. Zugleich bedeutet die Wahl dieses Materials einen Bruch mit den Konventionen traditioneller Malerei. Mittels zahlreicher Referenzen und konzeptioneller Kehrtwendungen zerstört sie scheinbar unbekümmert den einheitlichen Eindruck ihrer Malerei. Eine solche Referenz findet sich etwa im Gemälde "Porsche/Altdorfer/Waldeinsamkeit", das sich auf die Walddarstellungen des altdeutschen Malers Altdorfer bezieht, die Stille des Waldes jedoch als Porschefriedhof umgedacht zeigt und so ironisch einen zerstörten "Männertraum", wie Kränzler findet, darstellt. Die Malerin betont dazu, dass sie nicht am "Nachäffen" einer Vorlage interessiert sei, sondern am "Manipulieren von Bildern" und an den "Überraschungen", die sie während des Malvorgangs erlebe.

„CK’23“
Lisa Kränzler und Simon Czapla
Bis 3. Dezember 2023